Die Beleidigung. 499
6. Der Täter beleidigt mit Tätlichkeiten. Die Ohrfeige oder ein sonstiger
leichterer Schlag mit Hand oder Stock haben beleidigenden Charakter, wenn es dem
Täter weniger auf körperliche Verletzung und Mißhandlung als auf den Ausdruck
seiner Mißachtung gegen die Persönlichkeit des anderen ankam. Eine fehlgegangene
Ohrfeige ist keine tätliche Beleidigung.
Ehrenrührige Nachrede. 69 186 Str. G. B.
Der § 186 des Reichsstrafgesetzbuchs behandelt die üble oder ehrenrührige
Nachrede, welcher sich schuldig macht, wer in Beziehung auf einen anderen eine nicht
erweislich wahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen
oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist. Auch die üble Nachrede
ist eine Beleidigung im Sinne der früheren Ausführungen; sie ist nur vom Gesetz-
geber durch bestimmte Formulierung hervorgehoben worden. Es muß eine konkrete
Tatsache, die sich auf einen anderen bezieht, gegenüber einem Dritten mitgeteilt werden.
Eine andere Person als der Verletzte muß Kenntnis erhalten.
Man unterscheidet äußere, in der Sinnenwelt wahrnehmbare Tatsachen, zum Beispiel
die Verübung eines Diebstahls, und innere, sich im Innern eines Menschen voll-
ziehende Tatsachen, zum Beispiel den bloßen, noch nicht in Tat umgesetzten Ent-
schluß, einen Diebstahl zu verüben. Ein allgemeines Urteil ist keine Tatsache. Eine
Tatsache behauptet, wer von ihr als Ausdruck seines eigenen angeblichen Wissens
Kunde gibt; eine Tatsache verbreitet, wer eine fremde Behauptung weiter trägt.
Es ist gleichgültig, ob die Tatsache als positive Versicherung, als Urteil, Ver-
mutung, Verdacht, als unverbürgtes Gerücht, in Form einer Bedingung oder Schluß-
folgerung mitgeteilt wird. Den Inhalt eines beleidigenden Schriftstückes kann man
durch Vorlesen als eigene Behauptung wiedergeben oder verbreiten. Die Tatsache
muß in Beziehung auf einen anderen, also in seiner Abwesenheit oder Gegenwart
einem Dritten gegenüber behauptet oder verbreitet, nachgeredet werden.
Geschieht dies dagegen dem anderen ins Gesicht, so ist die Handlung nach § 185
des Strafgesetzbuchs zu beurteilen.
Eine Tatsache ist geeignet, verächtlich zu machen, wenn eine Person als im
Gegensatze zum allgemeinen sittlichen Werte stehend bezeichnet wird; eine Tatsache
ist geeignet, in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, wenn die Person in An-
sehung des allgemeinen sittlichen Wertes nur herabgesetzt werden soll. Es kommen
also solche Tatsachen in Betracht, deren Behaupten oder Verbreiten sich gegen die
Ehre des andern richten. Alle früher gebrachten Beispiele können, soweit sie in die
Form, welche § 186 verlangt, gekleidet zu werden vermögen, auch nach 8 186
strafbar werden. Der Vorwurf, jemand habe falsch geschworen, ist beleidigend,
wenn der andere vorsätzlich oder strafbar fahrlässig falsch geschworen haben soll.
Der Täter muß das Bewußtsein haben, daß die behauptete oder
verbreitete Tatsache geeignet ist, verächtlich zu machen oder in der
öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Die Absicht zu beleidigen
wird nicht erfordert.
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