I. Diebstahl. 31
Charlotte, 6 Jahr alt, Nikolaus Alfred,
12 Jahr alt und Ernust Ferdinand, 14 Jahr alt,
kamen ebenfalls freiwillig dazu und erklärten, nichts
von der Brosche zu wissen.
Die verehel. Behr zeigte mir noch in dem
Dienstbuche der Melzer, daß diese in zwei Zeug-
nissen das Prädikat ehrlich nicht habe, was sie erst
nach der Ermietung derselben bemerkt habe, und
erklärte mir weiter, daß die Melzer sehr naschhaft
und putzsüchtig sei. So habe sie sich von ihrem
letzten Monatslohn einen sehr teuren, ihrem Stande
gar nicht zukommenden Hut gekauft. Dieser Stroh-
hut war mir schon bei der Durchsuchung der Sachen
der Melzer sehr aufgefallen; ich habe auch seine
Bänder usw. daraufhin besichtigt, ob ihnen die
Brosche etwa aufgesteckt sei.
Zur weiteren Entschließung erstatte ich mit dem
Bemerken Anzeige, daß mir das etwas kokette und
dreiste Wesen der Melzer keinen günstigen Eindruck
gemacht hat. Als Grund, weshalb sie wider die
Anweisung zu zeitig in der Schlafstube die Betten
gemacht habe, gab sie an, daß sie sonst mit ihren
übrigen Arbeiten nicht fertig geworden wäre. Daß
ihr in zwei Zeugnissen die Ehrlichkeit nicht zu-
gesprochen sei, beruhe auf einem Versehen. Die
beiden betreffenden Dienstherrschaften wohnen in
Tübingen.
Nachtrag.
Soeben nach Fertigstellung der Anzeige erschien
der Bankdirektor Viktor Behr an Polizeistelle und
zeigte an, daß sich gestern Abend die vermißte
Brillantbrosche in der Puppenbadewanne seiner
Tochter Mathilde Charlotte gefunden habe; die
kleine Siegelinde habe zugestanden, die Brosche
heimlich aus der Schlafstube vom Teilettentische
weggenommen und in die Puppenbadewanne getan
zu haben, um zu sehen, ob die Brosche im Wasser
noch mehr glitzere, als so. Jeder Verdacht gegen
die Melzer erledige sich hiermit, was er aus-
drücklich erklären wolle.
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