Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

I. Diebstahl. 47 
haben, gab aber dann auf meinen eindringlichen 
Vorhalt meine Wahrnehmung als richtig zu. Sie 
sei mittellos und arbeitslos und habe sich auf solche 
Weise Geld verschaffen wollen zu ihrem Lebens- 
unterhalt. Darüber, wieviel Geld wohl in dem 
gestohlenen Portemonnaie sein könnte, habe sie sich 
keine Gedanken gemacht, viel Geld habe sie nach dem 
Aeußern der Meißner nicht erwartet. Ein anderes 
Portemonnaie habe sie noch nicht gestohlen; ihre 
Durchsuchung förderte ein solches auch nicht zu tage. 
Bemerkt wird noch, daß in dem Augerblicke, 
als ich die Simon festnahm, die erwähnten beiden 
Arbeiter sofort von einander abließen und die Flucht 
nach dem Postplatze zu ergriffen. Obwohl ich das 
Publikum auf sie aufmerksam zu machen versuchte 
und den Fliehenden „Halt auf!“ nachrief, verstand 
mich das durch die Festnahme der Simon völlig 
überraschte Publikum erst zu spät, als die beiden 
schon aus dem Gesichtskreise waren. 
Die Simon leugnete entschieden, daß die 
beiden Arbeiter mit ihr gemeinschastliche Sache 
gemacht hätten. Von der Wirtin der Simon, der 
Händlerin Dorothea Grundig, Webergasse 27, III, 
erfuhr ich aber, daß die Simon ein Verhältnis 
mit dem 
am 3. Oktober 1870 in Chemnitz geborenen Bäcker 
Friedrich Kurt Blüher, 
Weißegasse 14, IV bei dem Schriftsetzer Wilhelm 
Müller wohnhaft, 
habe, dessen mir durch die Grundig gegebene Personal-= 
beschreibung auch auf den einen der beiden Un- 
bekannten paßt. 
Blüher habe ich noch am selben Abend 
in seiner Wohnung betroffen und als den einen 
der beiden Arbeiter mit voller Bestimmtheit wieder- 
erkannt, und zwar an seinem gelben bartlosen 
Gesicht und dem blauen Jackett, welches er trug. 
Er leugnete überhaupt vor dem Schaufenster von 
Schwarze und Lohse in der 6. Stunde gewesen 
zu sein, konnte aber ein Alibi weder behaupten 
noch erbringen. 
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