Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

104 
Formularbuch. 
wohnt, Kindergeschrei gehört und von Graf erfahren, 
daß in der Nacht ein kleiner Junge angekommen sei. 
Obwohl die Anzeigeerstatterin die Graf gern im 
Wochenbett habe besuchen wollen, habe das ihr Mann 
doch nicht zugelassen, weil angeblich die Graf dringend 
der Ruhe bedürfe. Graf, der damals immer auf 
Arbeit gegangen, sei 4 bis 5 Tage zu Hause geblieben 
und habe die ganze Hauswirtschaft besorgt. Danach 
sei auf einmal die Alster, die sie doch zwei Wochen 
etwa zuvor in hochschwangerem Zustande gesehen habe, 
bei Grafs wieder zugezogen, angeblich um ihrer noch 
nicht wieder kräftigen Schwester die Wirtschaft zu 
führen. Die Alster sei wieder ganz schlank gewesen 
und habe sehr blaß und elend ausgesehen, während 
die Graf, bei der sie dann wieder zugelassen worden 
sei, gesund und kräftig wie immer ausgesehen und 
den starken Leib nicht mehr gehabt habe. 
Die Anzeigeerstatterin nimmt deshalb an, daß 
das Kind von der Alster herrühre und von der Graf 
fälschlich als ihr eigenes Kind ausgegeben werde. 
Es sei auch, wie sie aus dem von der Graf ihr 
gezeigten Geburtsschein gesehen habe, tatsächlich auf 
den Namen Ottomar Emil Graf standesamtlich 
eingetragen worden. Auffällig sei ihr auch gewesen, 
daß die Graf eine Hebamme oder einen Arzt bei 
der Geburt nicht zugezogen habe. Sie habe schon 
lange Anzeige erstatten, sich aber schließlich immer in die 
unsaubere Geschichte nicht einmischen wollen. Jetzt 
lasse ihr aber ihr Gewissen keine Ruhe mehr. Aus 
Rache mache sie die Anzeige nicht. Sie habe keinen 
Zank oder Verdruß mit Grafs gehabt, wenn schon 
sie sich von ihnen etwas zurückgezogen habe. 
Die von mir befragten Hausmannseheleute Illgen 
und die Arbeiterin Oehme bestätigten mir, daß sie im 
Frühjahr und die Oehme auch noch Ende Juni die 
Alster mit starkem Leibe gesehen und dieselbe unbedingt 
für schwanger gehalten haben. Die Oehme erinnert 
sich der Zeit deshalb so genau, weil am 28. Juni 
gerade ihre Tante gestorben und sie, als sie mit der 
Keller zusammen die Aster auf der Straße gesehen 
habe, sich gerade einen Trauerhut habe besorgen 
wollen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.