XI. Personenstandsveränderung. 105
Die an Amtsstelle vorgeladene Alster stellte auf
Befragen in Abrede, schwanger gewesen zu sein und
geboren zu haben. Auf die Frage, bei wem sie in
dem Hause Louisenplatz 17 gewohnt habe, erklärte
sie: bei der verw. Amalie Sommer. Die
Sommer ist am 10. Oktober d. J. gestorben. Sie
hat ganz allein gewohnt, und es konnte niemand
ermittelt werden, der mit ihr verkehrt hat.
Das alte und kleine Haus Louisenplatz 17 ist
im September d. J. abgebrochen und war schon im
Frühjahr und Sommer 1904 halb leergestellt. Es
haben damals noch außer der genannten Sommer
der Korbmacher Richard Büttner und dessen
Ehefrau, sowie der pensionierte Weichenwärter Otto
Menzel, jetzt Hinterbleiche 19, daselbst gewohnt.
Alle diese Leute sind sehr bejahrt, welche sich auf
nichts besinnen können und sich um die Mitbewohner
gar nicht gekümmert, von der Anwesenheit der Alster
im Hause überhaupt nichts gewußt haben. Nach
dem Melderegister ist die Alster, wie sie auch zugibt,
bei der Sommer nicht gemeldet gewesen.
Der Alster wurde eröffnet, daß sie sich einer
körperlichen Untersuchung durch den Polizeiarzt zu
unterziehen habe. Inhaltlich des beifolgenden ärzt-
lichen Zeugnisses hat Dr. Roderich durch die Unter-
suchung festgestellt, daß die Alster im vorigen Monat
geboren und in ihren Brüsten so viel Milch habe, daß
sie ein Kind nähren müsse.
Dem gegenüber gab die Alster zu, daß sie ein
Kind habe — und zwar von dem flüchtigen Leutnant
von Briesen —, sie verweigerte aber die Auskunft
über den Verbleib des Kindes. Bereits wenige Stunden
nach ihrer Verhaftung hatte sie von der drückenden
Milch große Schmerzen in ihren Brüsten.
Hierauf wurde die Graf an Polizeistelle sistiert.
Sie behauptete, das Kind Ottomar Emil Graf sei
ihr leibliches Kind. Den Namen des Arztes, der
angeblich ihre Schwangerschaft festgestellt habe, wollte
sie vergessen haben. Sic bestritt auch, davon etwas
zu wissen, daß ihre Schwester geboren habe und ein
Kind nähre. Auf Vorhalt des Ergebnisses der polizei-
ärztlichen Untersuchung an ihrer Schwester und daß