XII. Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit. 121
45. Notzucht; Indizien-
beweis.
8 177 d. Str. G. Bs.
Becher ist festgenommen worden, weil Verbrechen
vorliegt. Der erwähnte Möbius ist noch nicht ermittelt
worden. Auch eine Photographie desselben konnte
nicht beschafft werden.
Köln, den 7. Juli 1904.
Der hier Brückenstraße 49, III wohnhafte Geometer
Felix Ulster zeigte am 4. d. M. hier an, daß
der am 9. Mai 1856 in Koblenz geborene, hier
Friedrich-Wilhelmstraße 16, III wohnhafte Inhaber
eines Spitzengeschäftes
Benjamin Oswald Simon
am 3. Juli d. J. in den Mittagsstunden an seiner
am 17. August 1887 geborenen, also noch nicht
17 Jahre alten Tochter Ottilie Martha Ulster
Notzucht verübt habe.
Die miterschienene Ottilie Ulster gab auf Be-
fragen folgendes an.
Sie ist seit 1. April d. J. bei Simon als
Lehrmädchen in Stellung und beziehe einen monatlichen
Gehalt von 10 M. Schon wenige Wochen nach
ihrem Eintritt in das Geschäft habe sie von der
damaligen Verkäuferin Franziska Blondeck,
jetzt hier, Herzogstraße 11, III wohnhaft, erfahren,
daß Simon, der zwar verheiratet ist und erwachsene
Kinder hat, sehr verliebt sei. Die Blondeck habe
ihr wiederholt erzählt, Simon habe ihr, wenn sie
auf der Leiter stehend etwas aus einem oberen
Fache eines Regales habe holen müssen, wozu
er sie oft veranlaßt habe, unter die Röcke an die
Waden und „in die Hosen“ gegriffen. Da aber die
Ulster hiervon nie etwas gesehen hat, ist es ihr
zweifelhaft gewesen, ob nicht die Blondeck, die selbst
etwas herausfordernd sei, bloße Schwätzerei gemacht
habe. Die Blondeck sei dann eines Tages weg-
geblieben, es habe geheißen, sie habe Spitzen ge-
stohlen. Ein zweiter Grund, weshalb die Ulster
nicht an Unzüchtigkeiten Simons geglaubt hat, ist
gewesen, daß die Ehefrau Simons Rosalie
Marianne geb. Blachfeld selbst sehr viel mit
im Geschäfte tätig gewesen sei, da Simons in der