XIII. Verbrechen und Vergehen wider das Leben. 139
49. Mord. Indizien-
beweis.
8 211 des Str. G. Bs.
zufällig und mehr unbewußt Abends 11 Uhr am
Platze von Wagners Tätigkeit angelangt ist. Jeden-
falls ist ihm nach seiner ganzen Persönlichkeit und
den sonstigen Umständen, da er den ganzen Freitag
nichts gegessen hat, zu glauben, daß er in der
tiefsten Verzweiflung sich befunden haben mag, in
der ihm vielleicht bei Ausführung der Tat die ruhige
Ueberlegung des Mörders gefehlt hat. Die Zeugen
Schäfer, Elsner und Schneider versichern allerdings,
Legt habe auf der Wache einen nüchternen, mit seinem
Erfolge zufriedenen Eindruck gemacht. Er habe auch
nicht nach Alkohol gerochen.
Ueber Legts Charakter, der vielleicht in der
Sache entscheidend ist, wird die verehel. Legt Auskunft
geben können, die von mir hierüber absichtlich nicht
befragt worden ist.
Legt ist wegen vollendeten Mordes bezw. Tot-
schlags festgenommen worden.
München, den 14. Juni 1904.
Gestern vormittag 9 Uhr 10 Min. erschien an
Polizeistelle der hier Westenriederstraße 19, II wohn-
hafte Kürschner und Hausbesitzer Kurt Steindler
und zeigte an, daß die im dritten Stockwerke
seines Hauses wohnhafte Juwelierswitwe Theresia
Amanda Sendling, eine Frau von 72 Jahren,
seit 3 Tagen im Hause weder von ihm noch von
den anderen Hausbewohnern, insbesondere nicht von
der mit ihr auf derselben Flur wohnhaften Familie
Henoch gesehen worden sei, während sie sonst täglich
zu Mittag ausgehe und früh das Frühstück, welches
in einen an der Klinke ihrer Vorsaaltüre hängenden
Leinwandsack von dem Bäckerjungen gesteckt werde,
hereinnehme. Die erwachsene Tochter des Kaufmanns
Otto Henoch habe unn beobachtet, daß der Früh=
stückssack beständig den ganzen Tag über an der
Tür hänge, früh von dem Bäckerjungen gefüllt,
offenbar aber, da die Sendling niemals sichtbar
geworden, im Laufe des Tages von Unberufenen,
Bettlern oder Hausierern, geleert werde. Obwohl