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Formularbuch.
Durch den
am 12 Oktober 1868 in Gera geborenen
Maurerpolier Otto Ernst Schütze, hier
Albrechtstraße 14, III wohnhaft, wurde in Erfahrung
gebracht, daß die eingestürzte Mauer vorige Woche
während der großen Kälte (18—220° R.) gebaut
worden ist. Schütze habe dem Kugler ausdrücklich
erklärt, daß bei solcher Kälte nicht weitergebaut werden
könne, weil der Mörtel dann keine genügende Binde-
kraft habe. Kugler habe aber gesagt, das Haus
müsse bis Juli bezugsfähig sein, es müsse weiter-
gebaut werden. Er, Schütze, habe ausdrücklich
erklärt, daß er die Verantwortung nicht übernehme
und Kugler seine Anweisung den Maurern direkt
geben solle. Das habe auch Kugler getan. Die
Verletzten Günther und Berthold haben diese Dar-
stellung bestätigt und versichert, Kugler habe sie zu
entlassen gedroht, wenn sie seiner Weisung nicht
nachkämen.
Kugler konnte bisher nicht erlangt werden, weil
er seit gestern, nachdem er von dem Vorfalle er-
fahren hatte, von hier verschwunden ist. Seine
Ehefrau Mathilde geb. Zöllner wollte ebenfalls
nicht wissen, wo er sich aufhalte. Kugler ist in
Vigilanz gestellt worden.
Wie die Augenscheinseinnahme ergibt, sind die
Ziegelsteine im unteren noch vorhandenen Teile der
eingestürzten Mauer tatsächlich ganz locker, was, wie
der zufällig von uns bei der Besichtigung dort
betroffene Baumeister Ewald Lomeier, hier
Heilige Geiststraße 9, II, angab, nur auf die bei zu
kalter Witterung mangelnde Bindekraft des Mörtels
zurückzuführen ist.
Da Kugler verschwunden ist, haben die Arbeiter —
weil sie auch ihren Lohn nicht erhalten haben —
die Arbeit eingestellt.
Kugler wird wegen Vergehen nach 88 330
und 230 Abs. 2 d. Str. G. Bs. zur Anzeige gebracht.
Ob Schütze und die Verletzten selbst sich der Bei-
hilfe schuldig gemacht haben, erscheint nach ihren
Angaben zweifelhaft.