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der Verfolgung. Zwei Tage darauf hauchte der erst 32 Jahre alte Kurfürst
Moritz seine Heldenseele aus. Er hatte sich von seinem Hof- und Feld—
prediger Albinus das heilige Abendmahl in beiderlei Gestalt reichen lassen
und sah dem Tode nicht nur als Held, sondern auch als Christ entgegen.
„Gott kommt“ waren Moritzs letzte Worte, nachdem er vorher seinen Trau—
ring dem getreuen Carlowitz mit den Worten anvertraut hatte: „Dies Ring-
lein soll August unserem lieben Gemahl wieder zustellen und soll daneben
sagen, daß wir sie freundlich gesegnen lassen in tröstlicher Hoffnung, daß
wir mit der Zeit nach Gottes gnädiger Verleihung in jener Welt wieder
einander sehen wollen.“ Außer Moritz selbst fielen hier auf seiner Seite
die beiden Söhne des alten Herzogs von Lüneburg, 14 Grafen und an die
300 Edelleute. Ein schwerer und, was den edlen Kurfürsten anlangt, un-
ersetzlicher Verlust, dem gegenüber die im heißesten Handgemenge erfolgte
Eroberung von achtzig Fahnen und Standarten, wenn auch ein schönes
Ruhmeszeichen, so doch immerhin nur ein schwacher Trost war. Auf beiden
Seiten zählte man viertausend allein an Toten. Das verhängnisvolle Ge-
schoß, eine aus einem Faustrohr aus allernächster Nähe abgeschossene, merk-
würdigerweise silberne Kugel,5“) wird samt des Kurfürsten blutgetränkter
Feldbinde im Königlichen historischen Museum zu Dresden aufbewahrt.
57) Der feige und hinterlistige Mordbube, durch dessen Kugel Kurfürst Moritz so jäh-
lings aus seiner Heldenlaufbahn gerissen worden ist, soll — wie Böttiger in seiner Geschichte
Sachsens, I. 557, nach einem ihm glaubhaft scheinenden Gewährsmann berichtet — ein
junger Herr von Karras gewesen sein, der als Leibpage in des Kurfürsten unmittelbarem
und persönlichem Dienste stand und von diesem, seinem fürstlichen Herrn, besonders zahl-
reiche Wohltaten empfangen, wie gute Lehren erhalten hatte. Gerade weil aber Kurfürst
Moritz sich um diesen Junker, zum Heile für dessen Zukunft, besonders eingehend beschäftigte,
war er ab und zu genötigt, ihn auch zu strafen und soll ihm einstmals im väterlichen Zorne
einen Backenstreich gegeben haben. Die kleine silberne Kugel (in Speck gehüllt, „damit sie
besser flitze"“) war die Quittung, der Meuchelmord an seinem Wohltäter die schmachvolle
Rache dieses Elenden, der die Tat auf dem Sterbebett gebeichtet habe. Der Grund aber der
Zuneigung des fürstlichen Herrn zu diesem Unwürdigen habe in folgendem gelegen: Bei Er-
bauung des Jagdschlosses Moritzburg suchte Kurfürst Moritz den sehr großen und schönen
Wald des auf dem angrenzenden Rittergute Coswig sitzenden Herrn von Karras zu den
„Jagdgründen“ Moritzburgs hinzu zu bekommen, und bot dem Genannten den vorteilhaften
Umtausch dessen Gutes gegen ein anderes an. Der Kurfürst erreichte seinen Zweck; und
um den so loyalen Edelmann, der ihm einen derartigen Gefallen getan hatte, noch außer-
dem sein besonders dankbares Wohlwollen zu bezeugen, nahm er dessen Sohn in seine nächste
Umgebung, mit dem Versprechen, für ihn sorgen zu wollen. Ja, nur zu oft bewahrheitet
es sich: Undank ist der Welt Lohn. Schade, daß von so Elenden gesprochen werden muß.
Mit Shakespeare kann man sagen:
Was Menschen übles tun,
Das überlebt sie meist. —
Das Gute wird mit ihnen oft begraben.
übrigens sei hervorgehoben, daß — da Böttiger jene Erzählung, die mit der Volksmeinung
zusammentrifft und übereinstimmt, nicht durch Urkundenmaterial belegen kann — die Wahr-
heit derselben von manchen, so insbesondere von dem hervorragendsten der jetzt lebenden
sächsischen Historiker, Professor Dr. Kaemmel in Leipzig, für zweifelhaft angesehen wird.