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Späßen der Narren und lachten über das Auftreten von Krüppeln, Buckligen
und Zwergen, ohne die mindeste Beschwerung ihres Gewissens für möglich
zu halten oder zu denken, daß hierdurch der Menschenwürde Abbruch getan
werde. Ja, jene Possenreißer und Mißgestalten fanden es selbst nur in der
Ordnung, daß sie anders behandelt wurden wie andere Menschen und daß
sie Objekte zur Erregung der Lachlust waren.
Die sogenannten „kurzweiligen Räte“ aber standen auf einer vollständig
anderen Stufe. Der Teil von Abnormität, der ihnen den Schutz gewährte,
unter der Maske von Spaßmachern das sagen zu dürfen, was andere für
gefährlich gehalten haben würden, auszusprechen, bestand eben darin, daß
sie das taten. Das aber wurde schon damals für närrisch gehalten. Mutter—
witz und keckes Wesen, Gutmütigkeit und aufheiternde Lustigkeit — voraus-
gesetzt, daß alles dies mit loyaler Gesinnung, klarem Blicke und halbwegs
durchdringenden Verstand vereinigt auftrat — befähigten diese Persönlich—
keiten, insonderheit wenn dieselben sich das allgemeine Vertrauen zu erhalten
wußten, im zwanglosen Verkehre ihren fürstlichen Herren wie dem Vater—
lande Dienste zu leisten, die oft denjenigen der Geheimen Räte (damals
„heimliche Räte“ genannt) an die Seite gestellt zu werden verdienen.
Politisch-Geschichtliches.
IV.
Wie Moritz kriegerische Lorbeeren in hohem Maße gesammelt hatte, so
erwarb sich Kurfürst August, sein Bruder, der von 1553 bis 1586
regierte, eben so große, unvergängliche Verdienste in Bezug auf den inneren
Wohlstand, den wirtschaftlichen wie sozialen und geistigen Weiter-Ausbau
seines Landes. Moritz schuf einen politisch berühmten, August einen durch
Ausbildung aller Kräfte glücklichen Staat. Mit Recht verehrten daher den
letzteren seine dankbaren Untertanen als „Vater August“; seine hochherzige
und edle, allzeit hilfbereite und zu allen Werken geschickte Gemahlin aber,
eine geborene Prinzeß von Dänemark, als „Mutter Anna"“. Während die
nach damaliger Sitte reich, ja künstlerisch ausgeführte Reise-Apotheke dieser
Fürstin im Grünen Gewölbe aufbewahrt wird, bildet deren umfassende Haus-
Apotheke (die bei Kranken und Gesunden im ganzen Lande als Heilung
spendend berühmt gewesen ist) den Grundstock zur heutigen Königlichen
Hof-Apotheke. Kurfürst August, der eigenhändig Instruktionen für die Ver-
walter und Pächter seiner Landgüter schrieb, sowie ein auf reichen Er-
fahrungen beruhendes wertvolles Buch über Obstbau und Gartenzucht“)
6(7) Vom ethischen wie praktischen Gesichtspunkte aus gleich segensreich wirkte auch die
Verordnung, daß ein jedes Ehepaar bei seiner Hochzeit — sofern dasselbe auch nur ein
kleines Stückchen Land oder Garten sein eigen nennen konnte — mindestens drei Obst-
bäume zu pflanzen habe. Bei seinen häufigen Inspektionsreisen durch das Land aber, die