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Kurz, es herrschte reges wissenschaftliches Leben unter Kurfürst August. Ein
so ausgesprochener Friedensfürst derselbe aber war, so sind auch ihm kriegerische
Wirren nicht erspart geblieben, indem er 1566 an dem fränkischen Ritter
von Grumbach, einem Raubgenossen Albrechts von Brandenburg-Kulmbach
und Mörder des Bischofs von Würzburg, die Reichs-Acht zu vollziehen
hatte. Dieser wilde Abenteurer hatte dem Herzog Johann Friedrich II. vor-
gespiegelt, ihm mit Hilfe der fränkischen Reichsritterschaft zur Wiedererlangung
der seinem Vater entrissenen Kur zu verhelfen und von demselben Schutz
auf dessen festen Schlosse Grimmenstein in Gotha erhalten. Die bei und nach
Eroberung von Stadt und Veste seitens Augusts an den Tag gelegte Strenge
darf nicht ohne weiteres als Härte ausgelegt werden, sondern entsprang
einem empörten und vielfältig aufs äußerste gereizten Gerechtigkeitsgefühl.
Als bedeutender Erfolg nach außen hin muß die Erwerbung des Vogt-
landes, des Neustädter Kreises von Thüringen und der mit der Ernestinischen
Linie gemeinsame Erbantritt der Grafschaft Henneberg bezeichnet werden.
Das Vogtland war, wie erinnerlich, von den Kaisern eine Zeit lang an
die Grafen von Reuß beliehen worden. Nach innen gewann das reine
Luthertum, als die Lehre nach der unverfälschten Augsburger Konfession —
welches seit Anbeginn der Reformation in Sachsen maßgebend gewesen ist
— immer mehr an staatsrechtlicher Bedeutung; festgelegt durch die soge-
nannte Konkordienformel, die das Verhüten einer etwaigen Abbröckelung
von der „Lutherschen“ Reformation zum Zwecke hatte.
August sowohl wie Anna, beide ausgesprochene Anhänger der „reinen
und unverfälschten“ Lehre Luthers, verurteilten aufs schärfste die Kartell-
und Vermittelungsvorschläge, sowie die Zusätze Melanchthons, die derselbe
nach Luthers Tode z. B. den Abendmahlsartikeln der Augsburgischen Kon-
fession hinzugefügt hatte, um eine Verständigung mit den (in der Abneigung
gegen alles Römische viel weiter gehenden) reformierten Anhängern Kalvins
und Zwinglis anzubahnen. Nach Melanchthons Tode wiederum gingen
andere in diesen von Luthers Lehrbegriff abweichenden Bestrebungen immer
noch weiter, so daß die Befürchtung nahelag, diese versteckten oder Krypto-
Kalvinisten würden das gesamte Luthertum an die Reformierten über-
antworten. Der Geheime Rat Dr. Krakau, Kirchenrat Stössel, Leibarzt
Peucer und Hofprediger Schütz bildeten einen Ring mit dem Bestreben,
das kurfürstliche Ehepaar in Unkenntnis der vorgehenden Bewegungen zu
erhalten. Zehn Jahre lang mißbrauchten dieselben das Vertrauen der hohen
Herrschaften, bis letzteren durch andere die Augen geöffnet wurden. Schwer
war denn auch das Strafgericht; sämtliche Beteiligten wurden in den
Kerker geworfen.
Eins der Zeichen, daß auch Kursachsen (nebst anderen Staaten) einen
starken Schritt aus den Feudaleinrichtungen des Mittelalters nach der
allenthalben an die Türen pochenden Neuzeit tat, war die im Jahre 1570
erfolgte Errichtung des Obersteuerkollegiums, einer von der kurfürstlichen
Kammerverwaltung scharf getrennten Finanzbehörde. Diese Trennung oder
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