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scharfe Auseinanderhaltung der Kassen des Fürsten von denen des Landes
drückte dem letzteren so recht den Stempel des Staates der neueren Zeit
auf, um so mehr, als den Stimmen der Stände bei Beratung von Gesetzes—
vorlagen mehr noch als bisher Einfluß eingeräumt wurde. Wie das Ober—
steuerkollegium für Sachen des Finanzwesens, das Oberkonsistorium für
geistliche Angelegenheiten, das Oberappellationsgericht für Justizsachen In-
stanzen bildete, so führte Kurfürst August sozusagen als oberste Regierungs—
maschinerie, wie zur Bearbeitung diplomatischer und auswärtiger Angelegen-
heiten das Geheimeratskollegium ein; auch erließ er eine Hofrangordnung.
Am 1. Oktober 1585 starb Kurfürstin Anna, tief und wahrhaft be-
trauert von den sämtlichen Untertanen, denen sie in Wahrheit eine teure
und geliebte Landesmutter gewesen war.“)
Kurfürst August heiratete in zweiter Ehe die junge Prinzessin Agnes
von Anhalt und starb — nachdem er zwei Jahre vorher seinen ältesten Sohn
Christian zum Mitregenten eingesetzt hatte — am 11. Februar 1586. Von
fünfzehn Kindern überlebten den im doppelten Sinne „Vater“ genannten
Kurfürsten, außer seinem ebengenannten Nachfolger Christian, nur drei
Töchter.
Christian I. (1586.—1591), von guten Absichten beseelt, aus denen
heraus er z. B. die Ordensgemeinschaft der güldenen Kette gründete,)
68) Der Kurfürstin lautere Frömmigkeit war im Lande Sachsen und weit über dessen
Grenzen hinaus bekannt. Tiefen Eindruck aber hatte noch in den letzten Tagen ihres
Erdenlebens auf alle, deren Gedanken in banger Sorge an dem fürstlichen Krankenlager
weilten, eine von der geliebten Fürstin selbst und wörtlich gegebene Anordnung gemacht.
Sie hatte ausdrücklich befohlen, in folgender Form für sie in der Kirche zu beten: „Es
wird begehrt, ein gemein-christlich Gebet zu tun vor eine arme Sünderin, deren Sterb-
stündlein vorhanden ist.“ Und als nun die Seele der teuren Mutter Anna in Gottes
Reich abgeschieden war, da machte sich allerorten das Bedürfnis geltend, von ihr und
ihrem frommen Wandel, wie von den Wohltaten zu reden, durch die sie sich für immer
ein dankbares Andenken gesichert hat. Man freute sich besonders auch rühmen zu dürfen,
daß eine der Tugenden Annas die gewesen war, so wie sie es in ihrer Kindheit gelernt
hatte, mit gefalteten Händen laut das Tischgebet zu sprechen. Auch ihre Töchter über-
nahmen diese Pflicht einer christlichen Hausordnung, die den Fürsten ziert wie den Bettler.
Von einer der Prinzessinen Töchter heben die Chronisten unter anderem lobend hervor, sie
habe bis zum Tage ihrer Verehelichung das Tischgebet laut gesprochen. Daß doch jene
schöne Sitte, die eigentlich so selbstverständlich ist, noch jetzt überall ausgeübt würde.
so) Diese „güldene Gesellschaft“ war späterhin nicht von allzu langer Dauer. Das
Bestreben des Kurfürsten bei Schaffung derselben, deren Mitglieder durch eine güldene Kette
erkennbar und ausgezeichnet sein sollten, war darauf gerichtet, gutgesinnte, verdienstvolle
Personen fürstlichen und adeligen Standes mit solchen anderen Standes vereint, als die
goldene Spitze der Volksgemeinschaft, als gewissermaßen in ein moralisches goldenes Buch
eingetragen, zu kennzeichnen. Er wollte eine Legion solcher aus dem Volke hervor= und
herausheben, deren Beispiele vorbildlich im ganzen Lande wirken sollten. Mithin hatte er
denselben Grundgedanken wie etwas über zwei Jahrhunderte später (1802) Napoleon bei
Errichtung des Ordens der Ehrenlegion. Ob und inwieweit freilich Kurfürst Christian die
Qualität gehabt habe, als Schöpfer einer solchen auserwählten Schar aufzutreten, der er
doch selbst vorbildlich sein mußte, mag dahingestellt bleiben.