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mit Hessen sandte Kurfürst Christian I. im Jahre 1591 ein Hilfskorps von
einigen 12 000 Mann an König Heinrich IV. nach Frankreich zum Schutze
der Hugenotten. Durch das Bestreben, sich zum alleinigen Leiter eines von
ihm abhängigen staatlichen Bureaukratismus zu machen und dabei zahl-
reiche wirkliche wie vermeintliche Rechte anderer verletzend, hatte Krell sich
in Verbindung mit seinen übrigen Maßnahmen derartig verhaßt gemacht,
daß sofort nach dem am 23. September 1591 erfolgten Ableben Kurfürst
Christians I., er, der Omnipotente, noch vor dem Leichenbegängnisse des
hochseligen Landesherren verhaftet und ihm der Prozeß gemacht wurde.
Daß dabei nicht loyal verfahren worden ist und alle Regeln von
Billigkeit und Menschlichkeit außer acht gesetzt worden sind, ist leider eine
beschämende Tatsache. Auf dem Jüdenhofe zu Dresden ist noch jetzt durch
ein ins Pflaster eingelassenes Kreuz (ähnlich wie das Napoleonskreuz vor
der katholischen Hofkirche, welches den Standpunkt Napoleons bezeichnet,
von dem aus derselbe die über die Brücke anrückenden Kolonnen an ihre
Plätze bei der Schlacht von Dresden wies) die Stelle erkennbar, wo die
Hinrichtung Krells stattgefunden hat. Kaemmel nennt mit Recht diese Hin-
richtung den schändlichsten Justizmord, der je in Sachsen begangen worden
ist. Hauptförderin von Krells traurigem Geschick war des Kurfürsten
Christian I. Witwe Sophie, eine geborene Prinzeß von Brandenburg,
welche es dem Kanzler nicht verzeihen konnte, daß ihr Gemahl übermäßig
von jenem beeinflußt worden war. Übrigens ist jenes übertriebene Rache-
gefühl der einzige Schatten, der auf das Bild der Kurfürstin Sophie fällt.
Die auf ihre Veranlassung geprägten Goldstücke, die unter dem Namen
Sophiendukaten bekannt sind und die Umschrift zeigen: „Wohl dem, der
Freude an seinen Kindern erlebt“, erschienen 1616 am Geburtstage des
zweiten Sohnes Johann Georg.
Zunächst folgte indessen dem im 31. Lebensjahre verstorbenen Vater
der ältere Sohn als Christian II. (1591— 1611). Da derselbe erst
acht Jahr alt war, so regierte für ihn bis zur Volljährigkeit in Vormund-
schaft seine Mutter zusammen mit dem zum Administrator berufenen Herzog
Friedrich Wilhelm von Sachsen-Weimar, seinem Oheim, einem Enkel Johann
Friedrichs des Großmütigen.
Dr. Pfeifer, der ehemalige Kanzler, ward wieder eingesetzt und auf
diese Weise (wenn auch nicht ohne gewaltsame Eingriffe in die normale
Rechtsprechung) dem Lande verhältnismäßige Ruhe geschaffen.
Ganz außerordentlich zu bedauern ist es, daß beim Aussterben des
Jülich -Kleve-Bergschen Herzogstammes im Jahre 1609 Kurfürst Christian
dieses schöne große und reiche Erbe, auf welches er und sein Haus ohne
jeden Zweifel die erste und legitimste Anwartschaft hatte, ohne Schwertstreich
dem ländergierigen, aber auch politisch weitblickenden Kurfürsten von
Brandenburg überließ. Dieser, Johann Kasimir, der sich, um die Weg-
nahme jener Herzogtümer ungestört vollziehen zu können, nach Unterstützung
umgesehen hatte, versicherte sich hierzu vor allen Dingen des Einverständ-