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Während Jülich, Kleve, Berg, Mark und Ravensberg in fremden Besitz
übergingen, kam der — ohne Land gänzlich bedeutungslose — Titel eines
Herzogs und Grafen dieser Gebiete sowie das Wappen derselben als Anspruchs-
zeichen an die Wettiner, jener ein hohler Klang, dieses im vorliegenden
Falle eine wertlose Malerei. Als am Abende des 23. Juni 1602 die
fürstlichen Brüder, vom Schlosse Sonnenstein bei Pirna zurückkehrend,
auf einem Schiffe die Elbe hinab nach Dresden fuhren, gerieten plötzlich
die zum Abbrennen eines Feuerwerkes mitgenommenen Regquisiten in Ent-
zündung und explodierten. Während Johann Georg durch die Gewalt des
Pulvers über Bord geworfen wurde, brannte Christian am ganzen Leibe
lichterloh und das Fahrzeug ging in Flammen auf. Der mutige Schiffer
Jakob Zeibig aus Söbrigen rettete den Herzog Johann Georg vom Tode
des Ertrinkens. Auch Herzog August, der jüngste von Sophies Söhnen,
entrann an anderer Stelle nur mit knapper Not der augenscheinlichen Lebens-
gefahr und Kurfürst Christian genaß erst nach geraumer Zeit von seinen
Brandwunden. Das Schicksal der gesamten Albertinischen Linie von Wettin
hatte aber tatsächlich nur an einem dünnen Fädchen gehangen, denn gerade
neun Jahre später, 1611, wiederum am 23. Juni hatte Christian bei der
Teilnahme an einem Karussell= und Ringrennen sich außergewöhnlich erhitzt
und wurde nach unvorsichtigem Genusse eines Trunkes kalten Bieres in der
Wohnung des Herrn von Berbisdorff zu Dresden vom Schlage gerührt.
Er starb noch an demselben Tage im nicht vollendeten 28. Lebensjahr.
Christians Bruder, Kurfürst Johann Georg I. (1611—1650) sah
den vollen Sturm des unseligsten aller Kriege, des dreißigjährigen (den die
Ausländer bezeichnenderweise den „deutschen Krieg" nennen), über sich und
sein Land einherbrausen, ohne mit genügender Kraft eine feste Stellung in
demselben nehmen zu können — was allerdings gerade für den sächsischen
Kurfürsten besonders schwierig war —, da demselben eine jede noch so geringe
Abweichung von der direkten Lehre Luthers als Frevel erschien. Dennoch
schrieb Johann Georg 1621 an den Herzog von Württemberg: Die Streitig-
keiten innerhalb der evangelischen Kirche bilden für die Schwachen ein Argernis
bei den öffentlichen Feinden der Wahrheit, aber erregen sie Frohlocken.
Den auf des Kurfürsten Befehl, um jene Streitigkeiten zur Ruhe zu
bringen, zusammengerufenen Superintendenten und Professoren der Theologie
unter Vorsitz seines Oberhofpredigers von Hoönegg gelang dieses schwere
Werk nicht, und die — wenigstens äußerliche — Einigkeit der Katholiken
mit deren unbedingter Disziplin bildete dem gegenüber in der Tat den fest-
stehenden Felsen. Die Erhebung des kalvinistischen Friedrich von der Pfalz
auf den böhmischen Königstron veranlaßte Sachsen zur Annäherung an
Ssterreich, mithin zur Hinneigung zu den katholischen Kaiserlichen. Wieder-
holte Versuche, Johann Georg auf die Seite der Union zu bringen (teilweise
mit sehr lockenden Versprechungen), schlugen fehl, und von vielen Seiten
(Böttiger 1I. 87 u. a.) wird es ihm zum großen Vorwurfe gemacht, nicht
auf eine allgemeine Union sämtlicher protestantischer Reichsstände eingegangen