Full text: Der Fürstenzug auf dem Sgraffito-Fries am Königl. Schlosse zu Dresden.

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zusammenschrumpfen. Die bunten Schlitze und allerhand Auflassungen ver— 
schwinden. Nur als leichte Zierde von aufgenähtem farbigen Stoff lassen 
sich Andeutungen an jenes „Ins Weite Streben“ erkennen, als leise Erinne— 
rungen einer aufgeregten, aber zur Raison gebrachten Zeit. Die Möglichkeit 
einer freien Bewegung der einzelnen Glieder verhindernd, sitzt die Kleidung 
eng und beängstigend prall am Körper, straffer gespannt als je vorher. 
Von dem lustig und luftig in heiterer Üppigkeit wallenden und flatternden 
Stoffe, der malerisch als Mantel gerafft wird, ist hier keine Rede. Das 
kleine, kurze und enge Mäntelchen scheint nur dazu angetan, den geistigen 
Schraubstock noch deutlicher als es die pure Einbildungskraft vermag, auch 
äußerlich anzudeuten. Es prunkte, ohne zu wärmen, zu schützen oder zu 
decken, einem gleißnerischen Worte gleich auf das kein Verlaß ist, das nicht 
hält, was es verspricht und Ausflüchte macht wenn es eingelöst werden soll. 
Das Beinkleid aber, aus seidenem Trikot gefertigt, legt sich derartig stramm 
an, daß jede Muskel deutlich hervortritt, und eine jede Bewegung nicht 
ganz abgemessener, abgezirkelter Art ohne das Platzen jenes Kleidungsstückes 
ausgeschlossen ist. Zur Wahrung des Anstandes ward infolgedessen über 
Oberschenkel und Unterleib eine zweite, aber anders gestaltete Hose gezogen 
— ähnlich dem früheren „Bruch“, jener einem Schwimmgürtel gleichenden 
Erscheinung am „Niederkleid“, aber in ihrer Unförmlichkeit geradezu ein 
Monstrum darstellend. Diese Wulst bestand aus zwei dicken um den Abschluß 
der Hose sich legenden, mit Roßhaaren ausgestopften Polstern und artete — 
mit den unförmigen Reifröcken des schönen Geschlechtes in Wettbewerb um 
den Preis der Häßlichkeit tretend — schließlich so fabelhaft aus, daß in 
England unter der Königin Elisabeth tatsächlich die Sitze des Parlamentes 
erweitert werden mußten, um die „edelen Teile“ der ehrenwerten Lord- 
schaften aufnehmen zu können. 
Bei Kurfürst August, einem Deutschen, der die Tracht seiner Zeit trägt, 
welche eben die spanische ist, sind alle diese Erscheinungen moderiert wieder- 
gegeben. Im Ursprungslande selbst aber legte man ähnliche Polster wie 
an den Oberschenkeln auch um die Schultern, und wer nur einen einiger- 
maßen kurzen Hals hatte, saß in der zur Sitte gewordenen unförmlich 
breiten und hohen Spitzenkrause zwischen jenen Schulterpuffen leibhaftig wie 
ein Gefangener im Gewahrsam hinter Schloß und Riegel.50) Das Wams, 
welches auf vorliegendem Bilde immerhin einen Taillenabschluß hat, senkt 
sich beim National-Spanier nach vorn bis zum Beginne der Beinpolster in 
eine oft scharfe Spitze herunter, welche mit Werg und Roßhaar prall gestopft, 
gewissermaßen keilförmig nach der Mitte zu läuft, häufig auch wie ein dickes 
Kissen vor Brust und Leib herabhängend. Ja selbst die eisernen Harnische 
bequemen sich jener unnatürlichen Form an, und sind dann unter dem 
s6) Spötter, die es zu allen Zeiten gegeben hat, und die oft nicht mit Unrecht ihres 
Amtes warten, in das sie bei einigem Witze ihrerseits durch die Beobachtung vorhandener 
Mißstände oder Schwächen gebracht worden sind, sprachen von dem Haupte Johannes des 
Täufers auf der Schüssel der Herodias!
	        
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