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in der Beherrschung eines großen Reiches Genüge finden konnte, das bisher
auf mehr oder weniger ruhigen Bahnen wandelnde Kur-Sachsen auf den
sturmbewegten Schauplatz der großen europäischen Politik hinaus.
Durch Vermittelung des Kaisers Joseph, dessen persönlicher Freund er
war, und nachdem er, beziehungsweise Sachsen, große Geldopfer gebracht
hatte, ja nachdem er sogar, um bare Mittel zu erlangen?s) bedauerlicher-
weise verschiedene, zu seinen Erblanden gehörige Herrschaften veräußert
hatte, ward Friedrich August König von Polen, als August II. Was auf
diese Weise, wie durch Erhebungen von den Untertanen an Geld und
Geldeswert aufgebracht wurde, ging sozusagen scheffelweise für Bestechung
und Kauf der polnischen Magnaten und später zur Bestreitung der immer
drückender werdenden Kosten der sich entwickelnden Kriege, wie nicht minder
auch zur Erhaltung des Hofprunkes auf, der allerdings seines Gleichen nicht
wieder fand und indirekt wiederum zum Nutzen des, die Bedürfnisse ver-
sorgenden Landes wurde. Abgesehen von allen diesen materiellen Opfern,
hatte Friedrich August aber auch den Wechsel seines religiösen Bekenntnisses
den neuen Untertanen darbringen müssen, indem er Pfingsten 1697 (am
1. Juni) zu der in Polen herrschenden katholischen Konfession übertrat.
Doch veröffentlichte der Kurfürst gleichzeitig zur Beruhigung seiner evange-
lischen Untertanen — die um des Satzes willen „cujus regio, ejus religio“
in Bedrängnis zu kommen fürchteten — ein Manifest, worin er das Ver-
sprechen gab, Niemand solle in seinen religiösen Auffassungen durch den
Bekenntniswechsel des Landesherrn gestört werden; die evangelisch-luthe-
rische Konfession vielmehr ganz denselben Schutz und dieselben Rechte ge-
nießen wie bisher.““) Zu diesem Zwecke führte der Kurfürst die Beauf-
tragung der Staatsminister in evangelicis ein.9?) Jener, soeben erwähnten
fürstlichen Zusage voller Gleichberechtigung sind sämtliche sächsischen Herrscher
allezeit mit Fleiß und Treue nachgekommen. Das darf gerade in der Jetzt-
"3) Für 1 100 000 Gulden wurden die sächsischen Ansprüche auf Lauenburg (mit
Ausnahme von Titel und Wappen) 1697 an Braunschweig verkauft, und die Erbvogteie
über Quedlinburg samt anderen Gebietsteilen gegen eine bedeutende Summe an Branden-
burg hingegeben. Nicht minder schlug Friedrich August im Jahre 1700 den albertinischen
Anteil an Henneberg an den Herzog von Sachsen-Zeitz los, und auch der letzte Rest der
alten Stammgrafschaft Wettin Amt und Kloster Petersberg mit den Gebeinen ehrwürdiger
Ahnherren seines Hauses kamen um Polens Willen in brandenburgische Hände.
4) Die am 6. August 1697 von Lobskowa bei Krakau ausgegebene Erklärung des
Königs von Polen und Kurfürsten von Sachsen gelobte, daß derselbe „seine Untertanen
bei der Augsburgischen Konfession kräftiglich erhalten und handhaben“ werde. Seine
landesbischöflichen Rechte übertrug der Kurfürst dem Geheimen Rate, das Direktorium und
Vertretung der Evangelischen am Reichstage dem Herzog Friedrich von Gotha. Die ver-
hältnismäßig wenigen Katholiken im Kurstaate erhielten Erlaubnis zum öffentlichen Gottes-
dienst, und dieser wurde von da an auch den Reformierten gewährt.
?5) Deren Tätigkeit und Amtsgewalt ist gegenwärtig in der Weise geregelt, daß die-
selben (nach den Paragraphen 41 und 57 der Verfassungsurkunde) die landesherrliche
Kirchengewalt über die evangelischen Glaubensgenossen, sowie die ihnen durch die Kirchen-
und Synodalordnung zugewiesenen Befugnisse und Obliegenheiten auszuüben haben.