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lichen Pracht und Verschwendung, vor welcher ganz Europa staunte, doch
nicht zur wesentlichen Erhöhung von August des Starken politischen An—
sehen beizutragen.
Es ist sehr zu bedauern, daß der so geniale Kurfürst die reichen Hilfs—
quellen, seiner Erblande außer zur Prachtentfaltung und Kunstentwickelung,
in der Hauptsache zu Gunsten einer Nation verwendete, die ihn trotz alledem
und alledem doch nur als Eindringling betrachtete. „Er goß“, wie Böttiger
treffend sagt, „seines Sachsens Kraft und Mark in ein sarmatisches Danaidenfaß“.
Dagegen verlangt es die Gerechtigkeit, festzustellen, daß für Handel und
Gewerbe der Untertanen die Verbindung Sachsens mit Polen von Vorteil
gewesen ist. Zahlreiche Erzeugnisse des Fleißes von Kunst und Gewerbe
wurden ausgeführt, die Armee deckte ihre großen Bedürfnisse vollständig in
Sachsen und auch der Hof leistete durch seinen Verbrauch an allerhand
Sachen der inländischen Produktion Vorschub. Dies ist einer der Gründe,
weshalb Augusts des Starken (unter welchem Namen der Kurfürst auch in
Sachsen viel bekannter ist, wie als Friedrich August I.) Andenken, trotz der
mancherlei Schattenseiten seines Charakters und des vielen Elendes, das
sein Ehrgeiz heraufbeschworen hatte, im sächsischen Volke durchaus kein ver-
haßtes ist, ja man könnte im Gegenteil sagen ein populäres. Hierfür geben
zwei andere Gründe den Ausschlag: Seine unzweifelhaft ritterliche Persön-
lichkeit übte auf alle ganz unwillkürlich einen eigenen Reiz aus, der dadurch
noch erhöht wurde, daß der Kurfürst oft und gern in leutseligen Verkehr
mit seinen Untertanen trat. Besonders aber versöhnte, beziehungsweise
faszinierte er durch die vielerlei von ihm ausgehenden oder mit ihm in Zu-
sammenhang stehenden Lustbarkeiten, welche für den Unterhaltungsstoff, die
Schaulust und das Ergötzen auch der nicht direkt beteiligten Menge sorgten.
— Panem et circenses! — Bei oberflächlicher Betrachtung des gewisser-
maßen die ganze Welt blendenden Glanzes, durch welchen die Eigenliebe
und patriotische Eitelkeit auch der Untertanen anregend, der Name Sachsen
weit und breit unter Staunen bekannt wurde und Bewunderung fand, über-
sah man, teils absichtlich, teils unabsichtlich, den Schweiß, das Blut und
die Tränen, die im grunde genommen und bei genauer Überlegung oft an
derartigen Veranstaltungen klebten — diesen deutschen Ausläufern des
französischen „Roi s'amuse“. Anderseits wird August dem Starken das
Verdienst nicht vergessen und darf ihm nicht vergessen werden, welches er
sich dadurch erworben hat, daß er mit feinstem Kunstverständnis und bestem
Wagen herbeigefahren wurde, eine Länge von 14 Ellen = rund 8 m, eine Breite von
6 Ellen —= rund 3,50 m und eine Höhe von 1⅛½ Ellen = rund 85 cm hatte. Auf der
Elbe paradierte eine Flottille vergoldeter Fahrzeuge in venetianischem Stil. Ganz Europa
hallte wider von diesem Waffenfeste und seinem Prunke. Am 2. September 1903 bot sich
auf demselben Gefilde ein anderes, nicht allein das Auge des Soldaten sondern auch das
Herz des Patrioten aufs höchste erfreuendes, prächtiges Schauspiel. Drei der stolzesten
preußischen Regimenter standen mit ihren sächsischen Waffenbrüdern zusammen in Parade,
unter Befehl des Kronprinzen Friedrich August von Sachsen; gemustert von Kaiser Wilhelm
und König Georg.