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familiae hätte sein müssen. Aber trotz aller in diesen Worten angedeuteten
Fehler und überschreitungen, war außer üppiger Sinnenlust doch Geist,
Geschmack und Kraft die Seele seiner Handlungen. Deshalb wird man
Friedrich August J. von Sachsen beziehungsweise August II. von Polen nie
ohne Interesse betrachten.
Sein Nachfolger Kurfürst Friedrich August II. (1733.— 1763),
August des Starken einziger Sohn aus dessen Ehe mit Eberhardine von
Baireuth, die den Namen „Sachsens Betsäule“ wohl verdient hat, trat, ob-
wohl unter Leitung seiner Mutter evangelisch erzogen, sehr bald zum Katholizis-
mus über 100) und erlangte auf Antrieb des ihn völlig beherrschenden Grafen
Brühl, mit Hilfe Rußlands und Österreichs, in dem von 1733 bis 1735
währenden polnischen Erbfolgekriege die Krone des Königreiches Polen.
Schon seinem Vater war dieselbe mehr aus Dornen wie aus Gold zusammen-
gesetzt gewesen; auch ihm brachte sie nur Unsegen. Zwar hatte Friedrich
August II. mit den polnischen Verhältnissen weit weniger hart zu kämpfen
als sein Vorgänger; allein für Sachsen brachte seine häufige Abwesenheit
in Warschau doppelt große Nachteile. Erstens konnte derselbe sich dadurch
noch weniger eingehend um die sächsischen Verhältnisse kümmern, als er es
schon an sich tat; zweitens aber wuchs mit der zunehmenden Entfremdung
von Land und Leuten seiner Heimat der diabolische Einfluß seines Günst-
linges, des schließlich zum Premierminister gewordenen Grasen Brühl, den
er als Schlange an seinem Busen nährte, ins Ungeheuerliche, ja Unglaub--
liche. 101) Auf Treue und Ehre in seinen Handlungen von Hause aus ver-
zichtend, dagegen in raffinierter Weise intriguant und von eingeflleischtestem
Egoismus geleitet, brachte dieser, weder „geschickte“ noch „gesandte“ „Diplo-
mat“ die unlautersten und unpatriotischsten Mittel in Anwendung, um seiner
mit Hochmut verbundenen Habgier zu fröhnen. Insbesondere liegt die er-
drückende Last unverzeihlichen Gebahrens direkt auf den Schultern des, den
Heerführern seines Fürsten und Herrn schroff entgegen stehenden Ministers
und falschen Beraters, daß die schöne und brave kursächsische Armee auf der
Liliensteiner Ebenheit jene folgenschwere Kapitulation einzugehen gezwungen
war, welche nur zu oft, aber mit sehr großem, nicht genügend hervorzuhebendem
Unrecht, auf Fehlerhaftigkeit in der militärischen Führung geschoben zu
werden pflegt.
100) Dieser, nach seiner evangelischen Konfirmation erfolgte übertritt am 27. No-
vember 1712 zu Bologna brachte dem Kurprinzen die Möglichkeit der Thronfolge in Polen
näher, kostete ihm aber die Anwartschaft auf eine solche in Dänemark.
101) Als einfacher Page in den Hofstaat Augusts des Starken getreten, erlangte
Heinrich von Brühl bald die Gunst dieses Fürsten, wie später die von dessen Nachfolger
und wußte das Vertrauen dieser Monarchen derartig auszubeuten und zu mißbrauchen, daß
er in verhältnismäßig kurzer Zeit ein geradezu enormes Vermögen angesammelt hatte.
Außer dem Umstande, daß er so ziemlich die meisten der einträglichen Stellen des Staates
auf seine Person vereinigte, besaß er die Unverfrorenheit, von allen den Chargen, die er
jemals auf seiner Stufenleiter innegehabt hatte, das Gehalt sich auszahlen zu lassen, was
ihm den fetten Bissen von 60 000 Talern Neben-Einkommen abwarf. Seine Chamäleon-