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Die 1740 erfolgte Thronbesteigung König Friedrichs II. in Preußen
und das gleichzeitige Aussterben der männlichen Habsburger in Österreich
eröffnete eine neue politische Ara, die auch auf Sachsen von einschneidendem
Einfluß war. Maria Theresia, die älteste Tochter des im Oktober 1740 ver-
storbenen Kaisers Karl VI., hatte den Bestimmungen der sogenannten
pragmatischen Sanktion zufolge (nach welcher in Österreich die weibliche
Erbfolge zu Recht bestehen solle) sofort von dem väterlichen Erbe Besitz
ergriffen, obwohl der Vorrang vor ihr den noch am Leben befindlichen
Töchtern des Kaisers Joseph I. (des älteren Bruders Karls des Sechsten)
gebührte. Die älteste Tochter Kaiser Josephs war Maria Josepha, die am
20. August 1719 mit dem damaligen Kurprinzen, nunmehrigen Kurfürsten von
Sachsen sich vermählt hatte. — Aber freilich! Friedrich August hatte sowohl
bei seiner Vermählung wie bei seiner Beanspruchung der polnischen Krone
diesen Ansprüchen feierlich entsagt. Kurfürst Karl Albrecht von Bayern
dagegen, der Gemahl der jüngeren Schwester Maria Josephas drang in
Böhmen ein. Die Friedericianischen Kriege begannen. Friedrich von
Preußen nämlich benutzte die Gelegenheit, Ansprüche auf einige schlesische
Grafschasten resp. Fürstentümer zu erheben, die einstmals zur Zeit des
dreißigjährigen Krieges einem Verwandten des Hauses Brandenburg zur
Erbfolge zuständig gewesen seien und drang siegreich in Schlesien ein.
Anfangs auf Seite Friedrichs stehend, wurde Kursachsen veranlaßt, auf die
Seite Österreichs zu schwenken, als Preußen nach erfolgter Besitzergreifung
der in Rede stehenden Gebietsteile (Jägerndorf, Liegnitz, Brieg und Wohlau
deren Anspruch allerdings schon von 1523, beziehentlich 1537 her datiert)
sich hiermit nicht begnügte. Nachdem durch den Frieden von Breslau 1742
fast ganz Schlesien an Preußen gekommen war, sah sich Sachsen der be-
Natur ließ ihn in Polen Katholik sein, um dort die höchsten Staatsstellen einzunehmen
und ausgedehnten Grundbesitz auch in jenem Lande haben zu dürfen. In Sachsen aber,
wo, den Religionsversicherungen nach, kein wirklicher Minister katholisch sein durfte, war
er mit derselben Ruhe Protestant. Vom Kurfürsten in den Grafen= und vom Kaiser in
den Reichsgrafen= Stand erhoben, erhielt Brühl im Jahre 1747 die Würde eines Premier-
Ministers. Als solcher vereinigte er die letzte verantwortliche Instanz über alle An-
gelegenheiten des gesamten Staatswesens in seiner Person. Nach dem Tode der Kur-
fürstin Maria Josepha erhielt Graf Brühl deren gesamte Apanage als persönliche
Zuwendung. Er hielt zweihundert Lakaien in Livree, und seine „Leibwache“ war besser
besoldet als die des Kurfürsten. In seinem Nachlasse fanden sich 87 goldene Ringe,
856 Tabatieren, 102 goldene Taschenuhren, 75 Degen und 36 Stöcke mit kunstvollen
Gefäßen und Griffen, 198 gestickte Staatsroben, 43 Schlafröcke türkischer Art, usw.
— „Das genügt!“ — In einem von Professor Dr. Berling am 12. Februar 1902 über das
Thema „Minister Brühl und die Kunst“ gehaltenen Vortrage, der auch des Brühlschen
Beraters in Kunstsachen, Heinrich von Heinnecken und dessen Gegners Winkelmann gedenkt,
zu dem Schlusse gelangend, daß der ungeheure Reichtum des Grafen Brühl diesen all-
mächtigen billig auch zu einem Mäcen machen konnte, heißt es am Ende: „Wie man auch
sonst über Brühl und seine Zeit denken mag, ihre Bedeutung für die Kunst ist nicht ab-
zuweisen. Die klassizistische Gegenbewegung hat ja bis in unsere Zeit nachgewirkt, aber
wir erkennen wieder die Schönheit der Rokokokunst.“ Die jetzigen Grafen von Brühl in
Pförten und Seifersdorf können ihren Ahnherrn belehren, was wahre Loyalität ist.