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den Kompaß des Gewissens im Herzen, sich niemals von dem Kurse der
Ehrlichkeit entfernte. Zwei deutsche Staaten, Österreich und Preußen — in
ihren Größenverhältnissen und ihren Sonderbestrebungen, vor allem aber
unter ihren jeweiligen einander so verschiedenen Regenten (Maria Theresia,
dann Joseph und Friedrich II.) zu Reibungen prädestiniert — gaben dem
mitten zwischen ihnen liegenden Sachsen fortwährend Veranlassung, auf
seiner Hut zu sein. Und als jene mächtigen Nachbarn sich anschickten, mit
Rußland vereint, Polen zu teilen, war es für das mit Mißtrauen beobachtete
Sachsen gut, dabei ganz unbeteiligt zu sein. Im Inneren ließ Friedrich
August weise Milde walten und führte die Unterdrückung eines durch die
Ideen der französischen Revolution entstandenen Bauernaufstandes, anstatt
ein Blutbad anzurichten, mit Schonung durch, 1790.100) So tiefe Wunden
gerade Preußen während der letzten Menschenalter unserem sächsischen Vater-
lande geschlagen hatte, so erkannte doch Friedrich August III. das mancherlei
Gute und Zweckmäßige von dessen System in Verwaltungs= und Militärsachen
rückhaltlos an, machte sich entgegen seinen Vorgängern von der gewisser-
maßen beinahe blinden Hingabe an Österreich los und trat, ohne aber
letzteres irgendwie zu verletzen, in nähere Beziehung zu Preußen. Daß
Sachsen an die Seite dieses norddeutschen Staates gehöre und schon seit
langer Zeit gehört hätte, sah Friedrich August klar vor Augen, ohne die
geringste böse Absicht gegen Österreich zu hegen. Dennoch empfand man es in
Wien, nicht mehr der einzige Freund zu sein und die Schwierigkeiten, die beim
Ordnen der Schönburg-Glauchauschen Rezeßangelegenheiten von dort aus
bereitet wurden, mögen wohl mit aus jenen Erwägungen entstanden sein.
Eine gespanntere Form nahm Österreichs Verhalten Sachsen gegenüber an,
als der Kaiserstaat nach dem Tode des kinderlosen Kurfürsten Maximilian
Joseph von Bayern 1777, dessen einzige Schwester die Mutter Friedrich
Augusts war, gegen die vollberechtigten Ansprüche Sachsens auftrat. Es
entstand der bayerische Erbfolgekrieg, in welchem Kursachsen das Recht
seiner Allodial-Erbschaft verfocht und der Herzog von Zweibrücken, unterstützt
von Friedrich von Preußen, die Kur anstrebte. Im Frieden zu Teschen
am 13. Mai 1779 erhielt Kursachsen die Summe von 6 Millionen Gulden,
gab aber seine Erbforderungen des weiteren auf. Dieses Geld benutzte der
Kurfürst von Sachsen in hochherzigerweise teils zur Tilgung einer aus der
Unglückszeit des siebenjährigen Krieges herrührenden Landesschuld an Han-
106) Wie Pölitz in seiner Geschichte Friedrich Augusts ausdrücklich betont, sprachen die
Aufständischen unter Führung des Bauers Geißler aus Liebstadt von der Person des
Landesherrn, dessen Familie und den höchsten Behörden nur mit Verehrung und Ergebung.
Ihre Beschwerden richteten sich nur gegen einige Gutsherren und Unterbehörden, wirkten
aber naturgemäß ansteckend. Die Ordnung wurde bald wieder hergestellt. Es scheint aber,
daß jene Ausschreitungen in des Kurfürsten landesväterlichem Herzen die Anregung zu
dessen Verordnung gegeben haben, Hinrichtungen nach Möglichkeit zu vermeiden, sowie das
Gefängnis= und Zuchthauswesen wesentlich zu erweitern, ohne indessen in den Fehler einer
gewissen modernen Richtung zu verfallen, welche zum allgemeinen Unsegen die so heilsame
geregelte Prügelstrafe abzuschaffen für gut befunden hat.