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nur war dasselbe zu verschiedenen Malen des französischen Kaisers Operations-
basis und militärischer wie politischer Hauptstützpunkt, sondern auch die geo-
graphische Lage dieses rings eingeschlossenen Staatengebildes erheischte von
dessen Regenten eine weit größere Vorsicht im Handeln als von solchen,
die, wie man zu sagen pflegt „weit vom Schuß"“ entfernt waren. Eine so
große patriotische Tat die Erhebung Preußens gewesen ist — deren Ver-
dienstlichkeit niemals weder geleugnet werden kann, noch soll, noch auch
darf —, so war die Lage Sachsens gerade zu jener Zeit eine derartig kritische
und komplizierte, daß ein Anschluß dieses Staates an jene Erhebung damals
einem Selbstmord gleichgekommen sein dürfte. Späterhin wäre dies eher
möglich gewesen, doch ist es immer heikel, selbst an der Hand der Geschichte,
über Verhältnisse urteilen zu wollen, die zwar historisch feststehen — unter
deren direkten Eindrücken man aber persönlich nicht gestanden hat. Auch
gebietet die Gerechtigkeit der Geschichte, daran zu erinnern, daß Friedrich
Wilhelm III. von Preußen, der noch am 24. Februar 1812 ein neues
Bündnis mit Napoleon eingegangen war, seinerseits ebenfalls dem Korsen
zu folgen sich genötigt sah, und nur durch den Abfall Yorks und durch das
Drängen Steins bewogen, beziehungsweise gedrängt, eine antinapoleonische
Politik annahm. Daß dieser Abfall diplomatisch vorbereitet war — wie die
Preußen sagen —, ändert an der Tatsache nichts.
Trotz des so ganz besonders großen Abhängigkeitsverhältnisses, in welches
Sachsen zu Napoleon durch die Umstände wie durch des letzteren unleugbares
Genie hineingezwängt war, traf übrigens Friedrich August früher als irgend
ein anderer Rheinbundfürst Vorbereitungen, auf loyale Weise von dem
Bunde mit Frankreich loszukommen, und erließ bereits am 21. Februar 1813
an den General Edlen von Le Coque die entsprechenden Befehle. Auch
gab er im März dem General von Thielmann, Kommandanten von Torgau,
Weisung, die Festung nur auf seine oder des Kaisers von Österreich An-
ordnung zu öffnen. Mit dem Wiener Kabinett war der König von Sachsen
wegen gemeinsamen Eintrittes in eine bewaffnete Neutralität in Unterhand-
lung getreten. Von Kaemmel wird dieser Schritt als der unrichtigste be-
zeichnet, den der König habe tun können. Der König war in unzweifelhaft
schlimmer Lage. Jene Annäherung an SÖsterreich aber ist der Grund, warum
derselbe sich Osterreich gegenüber gebunden sah, als Preußens Auf-
forderung zur Teilnahme an der Erhebung an ihn gelangte. In einer sehr
wenig von Aufrichtigkeit zeugenden Weise ward Friedrich August aber im
wichtigsten Augenblicke von Österreich im Stich gelassen, weil es diesem
Staate, ohne Rücksicht auf Sachsen zu nehmen, darauf ankam, Zeit zu ge-
winnen. So sah sich König Friedrich August, zumal der keine Zeit zum
weiteren Bedenken zulassende Napoleon drohte, beim Abfalle Sachsens dieses
ganze Land unweigerlich zu zerstören und zu vernichten, in die Notwendig-
keit versetzt, das alte Verhältnis zu diesem Usurpator wieder einzunehmen.
Es wird erzählt, Friedrich August, der sich nach der Schlacht von Groß-
görschen veranlaßt sah, dem wohlmeinenden Rate seines Ministers von Senfft