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tausendfache Fäden inniger Beziehungen zusammenhängt. Ganz erspart
werden aber kann auch heute jener Vorwurf unserem Volk und denen nicht,
denen es obläge, den Sinn für vaterländische Geschichte mehr zu fördern und
zu pflegen. Insbesondere dann aber werden die angeführten Worte zum
Kassandra-Rufe, wenn selbst der Wunsch fehlt, so zu handeln, daß ihnen
die Berechtigung genommen werden könnte. „Während in Preußen“, sagt
Geheimrat Ermisch weiter, „höhere und niedere Schulen dafür sorgen, daß
jeder wenigstens einen ungefähren Begriff von der Geschichte des Staates,
dem er angehört, und seines Herrscherhauses ins Leben mitnimmt, vermißt
man bei uns sogar bei hochgebildeten nicht selten selbst die allgemeinsten
Kenntnisse der Geschichte Sachsens, ja auch den Wunsch, sie sich anzueignen.“
Weit genug verbreitet und genügend gefestigt — besonders auch an
Stellen, die man eigentlich als Hort und Ausgangspunkt solch vaterländischer
Ideen ansehen sollte — sind diese Ansichten immer noch nicht. Und doch
zeigt uns die Geschichte unseres engeren Vaterlandes so bedeutende Persönlich-
keiten und herrliche Taten; ist dieselbe so reich an Beispielen von Helden-
größe und treuer Pflichterfüllung, von Aufopferung im kleinen wie im
großen, von blendender wie wärmender Gelehrsamkeit und Kunst, von
wahrer Religiosität; ist sie reich an Vorbildern für das lebende Geschlecht,
für Enkel und Enkelkinder.
Es dürfte daher für die Liebe zur heimischen Geschichte, welche mit
derjenigen des angestammten Fürstenhauses eng verbunden ist, nicht ohne
Nutzen sein, wenn der oben berührte „Gedanke bei Betrachtung des Fürsten-
zuges“ von vielen — von allen — geteilt würde, und man an der Hand
der Bearbeitung dieses Gedankens, die allgemeinste Kenntnis von Fürsten-
stamm, Volk und Land in sich aufnehmen wollte, welche aus der stummen
Sprache gehört werden kann, die jene Gestalten zum Beschauer reden.
Heimatkunde, Vaterlandslehre kann nicht genugsam jedem ans Herz ge-
legt werden. Liebe zur Heimat, Treue zum Vaterland wird mächtig dadurch
gefördert. Das Wort Otto Kaemmels, des großen Historikers, wird von
einem jeden dann um so mehr verstanden und beherzigt werden, daß das
höchste irdische Gut des gebildeten Mannes das Vaterland ist, und daß der
Staat nichts Geringeres sei, als die notwendige Folgerung aus der sittlichen
Natur des Menschen, das rechtlich zur selbständig wollenden Persönlichkeit
geeinte Volk. Keine Herde aber, selbst der intelligentesten Teilnehmer, ohne
Hirten. Wohl also dem Volke, dessen Fürsten edel sind, die das gemeinsame
Vaterland mit gleicher Treue lieben wie ihre Untertanen, für deren Heil
sie besorgt sind, mit denen das Band gegenseitigen Vertrauens sie verbindet,
die leben und sterben für das Vaterland.
„Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an,
Das halte fest mit deinem ganzen Herzen:
Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft.“
Diese begeisterten und begeisternden Worte Schillers gelten für Re-
gierende wie für Regierte. Wer kennt sie nicht? O, möge jeder, jeder sie
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