Full text: Der Fürstenzug auf dem Sgraffito-Fries am Königl. Schlosse zu Dresden.

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Vom Tode Ludwigs XIV. an verkürzt sich die große Staatsperücke, 
deren Länge eine ihrer Schönheiten gebildet hatte, zur immer kleiner werdenden 
sogenannten Stutzperücke. 
Um allem Streite vorzubeugen, welcher Haarfarbe der Vorzug gebühre, 
und weil man nicht mit Unrecht gefunden hatte, daß ein frisches Gesicht 
durch die Umrahmung weißer Haare besonders vorteilhaft gehoben werde, 
puderte man diese Perücke mit feinem Weizenmehl. Eine solche Perücke 
tragen mit Modifikationen die drei nächsten Nachfolger Augusts des Starken, 
sowie der zwischen denselben marschierende Schweizergardist. Noch Friedrich 
August der Gerechte trägt eine solche, wie sie durch den Militarismus und 
die Sparsamkeit Friedrich Wilhelms J. von Preußen entstanden war. Wie 
in alle Kreise, war die Perücke schon längst auch in diejenigen der 
Soldateska eingedrungen, in die Armeen, die sich um jene Zeit, nämlich 
am Ausgange des 17. Jahrhunderts, in allen Ländern zu festen Forma— 
tionen ausbildeten. Der spartanische Soldatenkönig in Potsdam, der ein 
Jahrzehnt nach dem Beginne des 18. Jahrhunderts den Thron bestiegen 
hatte, hielt — ganz gerechtfertigterweise — dieses Modestück in der Armee 
für zu teuer. Im Bereiche der engeren wie der weiteren Wachtparade 
sollte man mit seinem eigenen Haare auskommen. Langwallend indessen 
mußte dasselbe damals noch sein. Es wäre ein allzu kühner, für damalige 
Anschauungsweise gar nicht denkbarer Sprung und ein unerhörter Bruch 
mit allem, was für schicklich, recht und gut galt, gewesen, etwa durch die 
Schere Kürzungen haben vornehmen zu wollen. Der preußische Soldat sollte 
also lange eigene Haare haben. Dieselben durften aber im Dienste — auf 
dessen als „Gamaschendienst“ bekannte peinlich pedantische Ausführung es 
in erster Linie ankam — nicht stören. Der Ausweg war der, daß die 
vorn gelockten Haare zu einem langen Schweif nach hinten zusammen- 
gebunden wurden, welcher die gleichmäßig weiße Farbe des Mehlstaubes 
oder Puders zeigte. So entstand auf märkischem Boden der Zopf, welcher 
ein ebensolches Sinnbild für pedantische Kleingeisterei, Haarspalterei und 
Knöchelei, sowie für eine in Maß und Ziel weit überschraubte Hyper- 
Genauigkeit geworden ist, wie es die große aus Versailles stammende 
Allongeperücke für Dünkel und Aufgeblasenheit gewesen war. Schließlich 
wurde der Zopf nicht nur lose gebunden, sondern — zur Herbeiführung 
einer unbedingten Genauigkeit und Übereinstimmung aller Soldatenköpfe 
eines Regimentes — zu einer in Dicke und Länge nach dem Zollstab gemessenen 
gleichmäßigen steifen Leine gewichst. Dieser eklatante Ausdruck eines lediglich 
im Gleichtritt der Grenadiere wie der Ideen und im festgesetzten Taktschlag 
öder Nüchternheit der Anschauungen sein Genüge findenden Systems 
gelangte ebenso in natura wie in übertragener Bedeutung bald auf allen 
Gebieten des Lebens zur Geltung. Vom gemeinen Soldaten ging der 
Zopf auf den Offizier und dessen — des gesellschaftlichen Ansehens wegen 
noch immer beibehaltene — künstliche Perücke über. Auf den Köpfen 
der im „Drill" steckenden Kornets und Junker, die dereinst als Obersten
	        
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