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und Generale dem großen Friedrich die Schlachten schlagen sollten, kämpfte
die Haartracht einen heißen Kampf zwischen Eitelkeit und Pflichtgefühl,
Freiheit und Unterwürfigkeit.11)
Der König selbst, Friedrich Wilhelm, trug eine Zopfperücke, und so
drang dieselbe auch in die bürgerliche Sphäre seiner getreuen Untertanen
ein, während die Hofgesellschaft, am Französischen haftend, dieser Haartour
Opposition machte. Der steife Zopf des Exerzierplatzes war so gar nicht
nach Sinn und Geschmack der Allüren des Parketts.
Diese Gegensätze machten sich bald in allen Ländern geltend. Das
galante Franzosentum half auch dieser Not ab und sein Auskunftsmittel
wurde alsbald wieder eine Zierde der Eleganz. Es steckte die zurück-
gestrichenen Haare in ein zierliches seidenes Säckchen, versah dasselbe mit
einer schönen großen Schleife und erfand solchergestalt den Haarbeutel.
Alle diese Arten der Kopftracht, Zopfperücke, Beutelperücke und Zopf-
frisur des eigenen Haares wurden weiß gepudert, mit und ohne Beihilfe
von Pomade wohlriechender und nicht wohlriechender Art. Mode, Un-
selbständigkeit und byzantinische Gefallsucht standen gleich Bütteln mit dem
Stocke herrisch und gebieterisch auch hinter denjenigen, welche nach mensch-
lichen Begriffen selbst Herren und Gebieter waren, das hatte Ludwig XIV.
zu seiner Genugtuung beobachten können. Das galt auch jetzt wieder,
und zwar bei „Civil“ wie bei „Militär". Für die gesteiften und ge-
puderten Zöpfe der Soldaten auch in Sachsen wurden sorgsam Ausschnitte
in den Holzpritschen der Wachtstuben angebracht. Denn es würde den
Wert selbst des sonst tüchtigsten Vaterlandsverteidigers um ein ganz be-
deutendes herabgesetzt haben, wenn sein Zopf ihm nicht nach allen Detail-
Vorschriften des Reglements „hinten gehangen“ hätte. Aber selbst eine
solche „Idealerscheinung“ des Kriegerstandes wurde ab und zu (zum Bei-
spiel des Nachts) von gerechtfertigter Müdigkeit befallen und mußte dann
ruhen können ohne das zu „ramponieren“", was ihn zum „ganzen Mann“
machte. Das Zopfflechten bildete einen mit Ernst betriebenen Dienstzweig.
Und wenn zur Zeit des Höhepunktes der Zopf-Manie eine feindliche
Armee die andere etwa in derjenigen Morgenstunde anzugreifen sich unter-
fangen haben würde, welche allgemein und international dem „Zopfen“
und „Pudern“ gewidmet war, so wäre der Anführer derselben als Ver-
116) Schließlich behielt jenes unsichtbare Etwas der Selbstlosigkeit die Oberhand, dessen
Geist Voltaire so treffend zeichnet, wenn er sagt:
„Aimer Son roy, la gloire et la patrie,
Sacrifier Son bien, Sa santé et sa vie;
Tourmenté par des fous, chicanné pour un rien —
Voild le vrai portrait d’'un officier prussien.“
Und wenn auch dieses von dem „Ober-Affen Seiner Majestät in Sanssouci“ verfaßte
Epigramm erst ein Menschenalter später geschrieben sein mag, so zeichnet der geistvolle
Franzose in demselben doch nicht nur die eine Generation, sondern den Geist der Auf-
opferung, Pflichttreue und Genauigkeit der vorher wie nachher im preußischen Offizier-
korps geherrscht hat, obwohl sein Lob in erster Linie die Offiziere Friedrich des Großen trifft.