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ist, befindet sich in der beträchtlichen Höhe von ziemlich fünf Metern ein
lebensgroßer Ochsenkopf, in Metall getrieben, der den Punkt bezeichnen soll,
bis zu welchem seinerzeit ein von Hunden gehetzter und wütend gemachter
Stier in die Höhe gesprungen ist. Kurz erwähnt möge hierbei werden, daß
jene einst offenen, auf 22 toskanischen Säulen ruhenden Galerien durch Ver-
mauern zu den Räumlichkeiten umgestaltet worden sind, welche seit 1730,
in Form von langen Gängen, zur Aufnahme der wertvollen Königlichen
Gewehrsammlung dienen. Die von verschiedenen Einzelteilen des großen
Schloßgebäudes gebildeten Innenmauern des Stechhofes, einschließlich der
besagten Galerien, hatten schon frühzeitig bildnerischen Schmuck erhalten,
dessen Motive hauptsächlich der Mythologie und der symbolisierenden Heraldik
entlehnt waren. In erweiterter Gestalt dehnte sich dann diese Wand-
ausschmückung auch auf die Außenmauern aus. Die in langer Reihe einander
folgenden Taten des Herkules führten den Beschauer mitten hinein in das
antike Heidentum und dessen Götterwelt. — Indessen hielten die bunten
Fresken den Angriffen der Witterung nicht stand, und so kam es, daß auch
jene langgestreckte Mauer, den kurfürstlichen Klepperställen gegenüber (an
deren Statt im 18. Jahrhundert Graf Brühl sein Palais hatte errichten
lassen, welches er mit einem kunstreichen Garten auf der Elbfront der
Festungswerke — der Brühlschen Terrasse — verband), weit über ein
Menschenalter hinaus in einem kahlen Zustande der Ode und Leere sich be-
funden hat.
Juno und Minerva (oder, wie manche sagen, die allegorischen Statuen
von Wissenschaft und Wachsamkeit), welche in Stein gehauen am Haupt-
portale jenes herrlichen Rokokobaues Wache hielten, welches man jetzt nieder-
gerissen hat, 1) um an seiner Stelle ein neues Ständehaus zu errichten, mögen
oft verlangend nach einem bildnerischen Schmucke ausgeschaut haben, zu dem
jene Längsfläche ihnen gegenüber in so hohem Maße geeignet ist.
1) Dieser, vom Grafen Brühl durch den Baumeister Knöffel in den Jahren 1737 bis
1750 errichtete Palast, welcher in architektonischer wie allgemein künstlerischer Beziehung
eines der schönsten Muster des Rokoko war, barg hierauf bezüglich schier unermeßliche
Schätze. Weit berühmt, ja man kann wohl sagen weltberühmt, waren insonderheit die
Freskomalereien des genialen Franzosen Louis Sylvestre. Aus diesem Grunde ist unter
Leitung des Professors Donadini das besonders schöne Deckengemälde des einen Parade-
saales mit Vorsicht und unendlicher Mühe abgenommen worden, um in gleicher Weise in
der zu errichtenden Aula der staatlichen Kunstgewerbeschule wieder angebracht zu werden,
als welche dieser ganze dorthin überzuführende Saal — ein Kunstwerk ersten Ranges —
neu erstehen soll. Auch die Sandsteinfiguren des genialen Barockmeisters Lorenzo Matielli,
des Schöpfers der berühmten achtzig Statuen der katholischen Hofkirche sowie des in seiner
Schönheit unerreichbar dastehenden Neptunbrunnens, einige kostbare Holzschnitzereien von
Teibl und die Mehrzahl der außerhalb wie innerhalb jenes Palais angebracht gewesenen
kunstvollen Eisengitter und Bronzearbeiten sind glücklicherweise in erhaltende Aufbewahrung
genommen worden. Nichtsdestoweniger ist das Verschwinden des Brühlschen Palais von
der Erdoberfläche nur zu geeignet, aufrichtiges Bedauern des Vaterlandsfreundes wie des
Kunstfreundes darüber zu erwecken, daß ein Denkmal alter Zeiten und alter Stile nach
dem anderen den Ansprüchen der Neuzeit zum Opfer fällt. Wie man beim bloßen Hören