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sein bisheriges Leben, Gerechtigkeit ist ihm Lebensbedürfnis.“ Sein Volk
kann also überzeugt sein, daß von den Aufgaben, die in seinem neuen Amte
an den hohen Herrn herantreten, keine ihm fremd ist. Er weiß, was
seinem Lande not tut, er weiß dies aus eigener Erfahrung, aus seiner
persönlichen Betätigung an den Staatsgeschäften heraus, aus dem gründ—
lichen Studium der Bedürfnisse, der Kraftquellen und der Gesamtlage der
sächsischen Monarchie. Nicht minder groß und stark darf die Überzeugung
im großen Deutschen Reiche sein, daß — wie berechtigt König Georg stets
für Sachsens politische und wirtschaftliche Selbständigkeit eingetreten ist und
eintreten wird — derselbe auch ein warmes Herz für Deutschlands als
seines gleichzeitigen Vaterlandes Größe und Herrlichkeit, für Deutschlands
Ehre, Wohlfahrt und Einigkeit hat.
Die schon an anderer Stelle erwähnten Worte, welche König Georg
bei seinem Regierungsantritte an sein Volk gerichtet hat, zeugen derartig
von der warmen Aufrichtigkeit seines landesväterlichen Herzens, daß ein
jeder Gutgesinnte voller Rührung und mit dem Erneuern des Gelübdes
der Treue ihm zujubeln muß. Abtrünnigen aber — sofern dieselben nicht
allen und jeden Gefühles beraubt sind — müssen, sollte man denken, solche
Vaterworte eines von Gott eingesetzten Landesherrn eine Mahnung zur
Einsicht sein, zur Einkehr und Umkehr. Schweres hatte dieser besonders
edle Fürst gleich im Anfange seiner Regierung zu erleben; bitteres Familien-
leid, welches der geliebte König und sein treues Volk mit ihm als etwas
unendlich Schmerzliches empfunden hat. 5)
Leider hatte das Verhalten der jetzigen Gräfin von Montignoso in
denjenigen Schichten oder Kreisen der Bevölkerung, die sich gewöhnt haben,
ihr Gewissen zu ertöten, nicht die Beurteilung gefunden, die es verdiente;
ja, dasselbe war — weil zur tiefsten Betrübnis aller Königstreuen im
ganzen Sachsenlande — vielfach der Ausgangspunkt häßlicher Kund-
gebungen. Um so höher und dankbarer sind daher dem von hohen
Idealen getragenen, in den schweren Pflichten seines hohen Berufes nie
wankenden Monarchen die Worte anzurechnen, die derselbe am 3. Juli 1903
in Meißen nach der feierlichen Begrüßung des dortigen Bürgermeisters
Dr. Ay ausgesprochen hat: „Man wird mitunter irre an seinem Volke,
aber ich bin es noch nicht geworden.“ Aber nicht allein nur die erhabene
Person des edlen, treuen und gerechten Königs, dessen königliche Ge-
danken, dessen menschliches Fühlen und vorzüglichen Charaktereigenschaften
seinen Sachsen längst bekannt waren, geben die Gewähr für ein glückliches
Gedeihen des engeren wie des weiteren Vaterlandes. Solche Zuversicht
wird noch gesteigert durch die anerkannte Tüchtigkeit des sächsischen Staats-
schiffes in allen Fugen seiner Organisation und Verwaltung, sowie durch
113) Derartige Unbegreiflichkeiten werden in jeder Familie, welche auf religiösen und
sittlichen Grundlagen errichtet ist, voll Trauer und innerstem Schmerze empfunden. Wie
viel mehr muß dies an Stellen der Fall sein, deren mustergültiges Verhalten vorbildlich
wirken soll für ein ganzes Volk.