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Welche Bequemlichkeiten sind seitdem eingetreten! Wie viel schwerer, auf—
reibender und anstrengender ist allerdings auch der Dienst geworden, so
daß Erleichterungen gegönnt werden müssen, damit die, mit unsterblichen
Seelen versehenen Maschinenteile des oft überhastig arbeitenden Räderwerkes
nicht allzu früh und allzu bald abgenutzt und unbrauchbar werden. Welche
unendliche Gefahr liegt in dem übermäßigen Anspannen der Kräfte,
nicht nur in ganz direkt praktischer, physischer, sondern auch in indirekter,
moralischer und ethischer Beziehung. Es werden schließlich Erholungen ge—
währt, die an sich gar keine sind und am Ende begibt sich der Vorgesetzte,
absichtlich oder unabsichtlich, der außerdienstlichen Beobachtung seiner Unter—
gebenen. Der Wert gerade dieser Pflicht der Vorgesetzten aber, welche
strengste Auffassung des Dienstbetriebes mit den Rücksichten von Billigkeit
und Menschlichkeit harmonisch zu vereinigen wissen muß, ist für jede „Armee
von Christen“ ein großer, welche keine Kapuzinerpredigt auf sich angewendet
sehen will. Es läßt sich leider nicht leugnen, daß der unsichtbare Feind
im eigenen Lager schon manche Position genommen hat, daß von dem
unseligen Geiste des Egoismus und Materialismus, der schließlich zum
Atheismus führt, schon manche Glieder auch derjenigen Kreise angesteckt
sind, deren ganz besondere Ehrenpflicht es ist, gerade hiergegen, gegen
diesen unsichtbaren, immer weitere Drachen gebärenden Drachen ebenso tapfer
und mutig anzukämpfen, wie gegen die Feinde in Fleisch und Bein, vor
denen sie keine Furcht kennen.
Unritterliche, unsoldatische Genußsucht und undeutsches Protzentum
bedrohen mit ihrem Einbruche um so mehr auch diese Reihen, je mehr
die Religion vernachlässigt wird und das alte Wort in Vergessenheit gerät:
„Der frömmste Soldat ist der beste Soldat.“ Für die Wahrheit dieses
Wortes gibt Weltgeschichte wie Kriegsgeschichte zahlreiche Beispiele. Man
denke nur an York von Wartenburg und dessen Worte der Demut, des
Vertrauens und der Zuversicht, mit denen er am 16. Oktober den Vormarsch
zur Schlacht bei Leipzig (von Schkeuditz aus) antrat: „Anfang, Mitt' und
Ende, Herr Gott zum besten wende.“ Man denke besonders auch an Zieten,
denke an Gneisenau, Scharnhorst und Kaiser Wilhelm I. Nicht minder
mögen uns, was Gottesfurcht und Tapferkeit anlangt, die unglücklichen
Buren vorschweben, wenn auch andererseits das Ergebnis von deren Krieg-
führung den Beweis befestigt, daß auch für Taktik und Strategie eine
gründliche Schulung erforderlich ist. Was aber den unvergeßlichen Kaiser
Wilhelm I. betrifft, so wolle Gott geben, daß dieses edlen Monarchen
Wunsch und Wille, der dem Kern des deutschen Volkes aus der Seele
gesprochen ist, nachhaltig in Erfüllung gehe: „Dem Volke muß die Religion
erhalten bleiben.“ 154)
154") Wohl dem Volke, des König ein frommer Mann ist, und wohl dem Heere, in
dessen Reihen ein gleiches Gefühl herrscht! Die bedauernswerten Franzosen freilich sollen
jetzt eine andere Denkart eingeimpft erhalten und man könnte meinen, nicht am Anfange
des 20., sondern am Ende des 18. Jahrhunderts zu stehen, wenn man die Rede des franzö-