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gegenüber stehenden Franzosen seine ritterliche Kaltblütigkeit beinahe hätte
mit dem eigenen Leben bezahlen müssen. Den mit weißen Tüchern und
mit ihren Kopfbedeckungen winkenden, das Feuern einstellenden Feinden
ritt nämlich Oberst von Hausen für seine Person allein entgegen, ward
aber auf kürzeste Entfernung mit einem Hagel von Geschossen empfangen.
Ein Wunder in der Tat, daß das Zielobjekt so vieler aus nächster Nähe
abgegebener Schüsse mit dem Leben davon gekommen ist. Ohne etwa
annehmen zu wollen, daß von anderen Truppenteilen nicht ähnliche den
Korpsgeist belebende Lieder gesungen werden, möchte hier ein Vers des
von Kurt Moser gedichteten „Schützenliedes“ Platz finden:
„Und ging's zu blut'gem Tanze und ging's zu hartem Strauß,
Da sprengt mit Heldenmute der Oberst uns voraus.
Wo seine Schützen stritten wohl um des Sieges Ziel,
Sah man den Oberst Hausen im dichten Kampfgewühl:
Die Treue und die Ehre, Pflicht, Vaterland und Mut
Sind fest ins Herz geschrieben dem jüngsten Schützenblut.
Das ist die hohe Tugend; wißt ihr nicht, wie sie heißt?
Man nennt mit einem Worte sie nur den Schützengeist.“
Nach dem Wehrstande folgt auf dem Bilde der Lehrstand und
der Nährstand.
Bevor von dem ersterwähnten Abschied genommen werden soll, darf
die Betrachtung nicht unterdrückt werden, daß im Deutschen Reiche jeder
einzelne Staatsangehörige durch das Gesetz der allgemeinen Wehrpflicht zum
großen allgemeinen Wehrstande gehört, den die Nation bildet. Diese auf
uralt germanischer Auffassung und Volksverfassung beruhende Wehrpflicht
jedes Einzelnen drückt im Lande der Ger-Manen einem jeden waffentüchtigen
Manne den Ger in die Hand, sobald die heilige Mutter Erde oder das
geheiligte Herdfeuer, oder aber Ruhe, Gesetzmäßigkeit und Ordnung der
Verteidigung bedürfen.
In übertragener Bedeutung stellt sich die Waffe des Ger oder Lang-
spießes, des Fram oder Wurfgeschosses und des Sax oder Streithammers
als die kriegsgemäße Ausbildung dar, die ein jeder Sohn des Vaterlandes
während seiner Dienstzeit im Heere genießt. Leider hat diese Ausbildungs-
zeit neuerdings nur die Dauer von zwei Jahren. Aber hoffentlich verliert
durch diese Maßregel jene erwähnte Waffe — die Erziehung nämlich zu
Disziplin und Gehorsam, zu Entsagung und Aufopferung, Geschicklichkeit
und Kriegsbereitschaft — nicht an ihrer Schärfe. Niemals darf sie auf-
hören, jeden Augenblick ein für den Feind verderbliches Instrument in den
Händen der Führer und der Heeresleitung zu sein: „Allezeit treu bereit
für des Reiches Herrlichkeit.“ Trotzdem nun aber nach dem Gesetze der
allgemeinen Wehrpflicht jeder Deutsche in einem mehr oder weniger direkten
oder indirekten Verhältnisse zur Armee steht, so muß und darf nichts-
destoweniger doch das alte Wort von den drei Berufsständen aufrecht