— 236 —
erhalten werden. Denn trotz des Begriffes „Volk in Waffen“ bildet das
deutsche Volk kein Milizheer, wie beispielsweise die Schweiz, und jeder Ge—
danke an die Einführung eines solchen muß im Interesse des Vaterlandes
weit weggewiesen werden. Eine noch so große Masse ganz gut bewaffneter
und ausgerüsteter, aber nicht genügend eingeübter und nicht disziplinierter
Leute ist noch immer kein kriegsbrauchbares Heer. Ja selbst Begeisterung
vermag am letzten Ende Manneszucht und Erfahrung nicht zu ersetzen.
Aufgabe der zum stehenden Heere einberufenen oder dessen Reserven an—
gehörigen Söhne des Vaterlandes ist es, Geist, Erziehung und Wesen
kriegerischen Denkens und Fühlens gewissermaßen als einen Sauerteig ins
Volk zu bringen, durch den die ganze Nation sozusagen militärisch durchwirkt
wird. Aber trotzdem die gesamte wehrfähige Bevölkerung — man verzeihe
den trivialen Ausdruck, er ist durchaus ernst und edel gemeint — zu ethischen
Kommißbrotessern gestempelt erscheint, ist doch der Soldatenstand immer noch
ein Stand für sich. Noch immer gilt unseres idealsten Dichters Wort: „Der
Soldat muß sich können fühlen“, noch immer der Ausruf Scribe's: „Ha,
welche Lust, Soldat zu sein!“ Und wenn des Dienstes mitunter vielleicht
gar zu drückende Schwere den letzteren Ausruf vielleicht da oder dort etwas
zu dämpfen geeignet sein sollte, so bleibt selbst dann, selbst in den schwie—
rigsten Momenten, immer es eine Ehre, Soldat zu sein. Es ist auch eine
Ehre, Soldat gewesen zu sein. Des sind die Veteranen Zeuge, welche, der
ruhmreichen Überlieferungen des gesamten Heeres wie der einzelnen Truppen—
teile und des Eides gedenkend, der sie mit jenen verbunden hat, in schlichtem
bürgerlichen Kleide eine nach innen glänzende Garde um die Person
ihres Fürsten, um die hohe sittliche Idee von Ordnung und Gesittung,
von Religion und Vaterland bilden. 163) Manneszucht pflegend in Herz
und in Haus, in Gemeinde und Staat, treten sie zu Kriegervereinen zu-
163) Die Umstürzler und Sozialdemokraten freilich, denen — wie ihr Genosse Liebknecht
sagt — das Wort „Vaterland“ keinen Zauber hat, sondern ein überwundener Standpunkt,
ein reaktionärer, feindlicher ist, denen in Bezug auf das Panier, welches die alten Soldaten
aufwerfen, „das Pentagramma Pein macht“, in den Militärvereinen instinktiv ein Bollwerk
gegen die überflutung der bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Ansichten und Bestrebungen
sehend, bemühen sich, diese Vereine und deren Organisation mit Hohn und Spott zu ver-
folgen. „Hurra-Kanaillen“ und „Kriechervereinler“ nennen sozialdemokratische Zeitungen
die Männer, welche ihre Anhänglichkeit an den Kriegerstand mutig bekennen und Vereinen
angehören, die gegründet sind „zur Wahrung und Förderung ehrenhafter Gesinnungen für
Ordnung und Sittlichkeit, der Treue für König und Vaterland, Kaiser und Reich sowie
Gehorsam gegen Gesetz und Obrigkeit.“ Mögen die alten Krieger sich durch solche Be-
schimpfungen nicht irre machen lassen, sondern nach wie vor Ehre und Gewissen als Richt-
schnur ansehen. Mögen sie nach wie vor die Fahne der Treue hochhalten. Mögen sie stets
gerüstet und gefechtsbereit sein, den guten Kampf zu kämpfen, der Verheißung hat;
noch in ihren alten Tagen, ja in denen erst recht. Und mögen sie immer Waffen zu diesem
Kampfe blank halten, es sind keine äußerlichen greifbaren Waffen, es sind die unsichtbaren
geistigen Waffen, die aus dem Zeughause der Gottesfurcht, Königstreue und Baterlands-
liebe stammen. Mögen die braven Veteranen allezeit bereit sein, mit Ehren zu bestehen,
wenn der Herr der Heerscharen sie zur großen Revue vor sein heiliges Angesicht ruft.