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links neben demselben der Kunsthistoriker und Archäolog Professor Freiherr
von Weißenbach schreitet, der immer so tapfer und begeistert für die ethische
Bedeutung der Gotik wie deren majestätische Formenentfaltung eingetreten
ist. Und er hat Recht! Kann es doch kaum etwas Erhabeneres geben als
einen gotischen Dom mit seiner himmelanstrebenden Spitzbogengliederung,
in welcher jeder einzelne Teil voll gleicher Harmonie eine Summe von
Schönheit in sich birgt. Diese Schönheit aber ist um so wirkungsvoller,
weil sie im Grunde genommen einer edlen Einfachheit entspringt. Engel,
Heilige und Tiere, Laubwerk und allerhand Symbole beleben die schlanken
Fialen, Rosetten schmiegen sich schmeichelnd in die Reihen des Dreipaß,
und der künstlerische Eindruck des gefälligen Maßwerkes wird noch erhöht
durch die glühenden Farben der Glasmalerei, mit welcher die Fenster ge-
schmückt sind. Freiherr von Weißenbach, 1847 geboren, ist einer von den-
jenigen Kunstverständigen, die durch ihren Einfluß zur Hebung des Kunst-
gewerbes wesentlich beigetragen haben. Er lebt jetzt vorzugsweise auf seinen
Gütern in Ungarn. Von dem kunstsinnigen Herzog von Altenburg zum
Professor erhoben, ist derselbe unablässig bemüht gewesen, den Kunsthand-
werkern die Notwendigkeit des Studiums der Stilgesetze früherer Kultur-
perioden ans Herz zu legen in der sehr richtigen Erkenntnis, daß nur
durch eine solche aus pietätvollem Verständnis für das Schöne des Alten
hervorgehende Kenntnis und deren richtiger Verbindung mit den Errungen-
schaften wie den technischen Vorteilen der Neuzeit ein Emporheben sämt-
licher Zweige des Kunstgewerbes auf die Höhe der Vollendung möglich ist.
Das Wappenbild seiner Familie — der Ochsenkopf — ist (gleichzeitig eine
Moderichtung andeutend) auf Herrn von Weißenbachs Hemdkragen angebracht.
(Heinrich von Wizinbach lebte 1217, Conradus de Wizzenbach 1270. Der-
selbe wird als Ritter des deutschen Ordens Wisbach geschrieben. 10)
Bergmann und Bauer sind ebenfalls zur Stelle. Das ist Recht. Sie
versinnbildlichen die ehrliche Arbeit auf der Erde und unter der Erde;
sie verdienen Ehrung und höchste Anerkennung. Wie in der dunklen Tiefe
des Schachtes bei unsicherem Grubenlichte der Bergmann die metallenen
Schätze hebt — die bei guter Benutzung so reichen Segen, bei schlechter
und unrechter Benutzung so entsetzlichen Unsegen über das Menschengeschlecht
zu bringen vermögen — so arbeitet der Landmann vom frühesten Hahnen-
120) Als Kuriosum möge die Notiz hier Platz finden, daß Christine von Weißenbach
die Stamm-Mutter des jetzigen russischen Kaiserhauses geworden ist. Verheiratet mit Georg
von Zeutsch, Burggrafen und Hofmarschall der Grafen von Mansfeld, hatte jene Christine
eine Tochter Christine Eleonore, welche sich 1687 mit dem Fürsten Johann Ludwig von
Anhalt vermählte. Der Sohn dieses fürstlichen Paares, Friedrich August von Anhalt-Zerbst,
hatte die Prinzessin Johanna Elisabeth von Holstein-Gottorp zur Ehe, und aus dieser ent-
sprang Prinzessin Sophie Auguste, die unter dem Namen Katharina 1745 sich mit Groß-
fürst Peter, dem nachmaligen Kaiser Peter III. von Rußland, vermählte. Nach dem Ab-
leben dieses ihres kaiserlichen Gemahls hatte sie den russischen Kaiserthron als Katharina
die Große bis zu ihrem Tode 1796 inne.