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Heiliger Pflug, den uns der Herr gegeben,
Das Brot uns zu erkämpfen, in die Hand,
Was wäre ohne dich des Menschen Leben,
Was ohne dich das teure Vaterland? —
O, Heil dem Volk, das klug und fromm genug,
Als höchstes Gut zu schätzen seinen Pflug.“
Die erste derjenigen Bitten des Vaterunsers, die auf irdische Dinge
gerichtet sind, betrifft das „tägliche Brot“.
Wenn aber irgendwo und irgendwie über den größeren oder geringeren
Wert der einzelnen Berufsarten und Stände gestritten werden sollte, so
würde diese müßige Frage in der lehrreichen Fabel von der Rebellion der
einzelnen Glieder des menschlichen Körpers die beste Antwort finden. Es
vermag das eine nicht ohne die Hilfe des anderen zu existieren und ordnungs-
gemäß zu funktionieren. Handel und Industrie also müssen mit der Land-
wirtschaft Hand in Hand gehen, soll anders nicht Volk und Staat in rück-
läufige Bewegung geraten. Das Dröhnen der Hammerwerke kann wohl
den Taktschlag der Dreschflegel übertönen, aber ersticken darf es ihn
nicht. Und die „Sirene“ der Dampfmaschinen soll den Gesang der
Schnitterinnen nicht betäuben. Das Herumstreifen mit den Flügeln des
Merkur aber (gleichviel ob durch Dampf oder Elektrizität getrieben) muß
mindestens dadurch ein Gegengewicht erhalten, daß die Füße im heimischen
Boden wurzeln, der starken Eiche gleich, dem Sinnbild germanischer Treue;
wurzeln wie die Linde, das Symbol der deutschen Innigkeit und Gemütstiefe.
Geschmückt mit einem Blumensträußchen an der Brust, das (als Zeichen
des Berufes geltende) Winkelmaß mit bunten flatternden Bändern um-
wunden, wie sich's für „hohe Zeit“, das heißt „Festzeit“ geziemt, so schreitet
auf dem Wandgemälde nunmehr der brave Maurergeselle Kern daher.
Trotz des Schurzfelles — Rüststück und Ehrenattribut der Maurer, wie
es der Küraß den Kürassieren ist — hat er ein „hochzeitlich" Kleid an. 1)
Wie der erste Maurer das Winkelmaß, so trägt der zweite, Pietzsch mit
Namen, das andere Abzeichen des Standes — die Kelle. Diese beiden
Männer sind beim Putzen und bei der Grundierung der Mauerfläche,
welche zur Aufnahme des Sgraffitogemäldes vorbereitet werden mußte, dem
ausführenden Künstler treulich und geschickt behilflich gewesen. Letzterer
selbst, der Historienmaler Professor Wilhelm Walther, geboren zu
Kämmerswalda am 18. Oktober 1826, schließt bescheidentlich den Zug der
von ihm so lebenswahr, historisch treu und künstlerisch schön zur Dar-
stellung gebrachten Gestalten.
179) Freilich machen Kleider Leute; aber nur der Oberflächliche wird sich jüber den
Wert ihrer Träger täuschen lassen. Und nun gar der Vater im Himmel — der sieht
das Herz an. Nichtsdestoweniger ist es etwas Schönes, ja mitunter Rührendes, um
ein einfaches, auch äußerliches Festkleid. Sträußchen und Band geben das Gepräge der
Gala. (Fröhliche Miene und fröhliches Herz gehören freilich dazu.)