Full text: Der Fürstenzug auf dem Sgraffito-Fries am Königl. Schlosse zu Dresden.

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gar nicht wesentlich bemerkt, oder doch wenigstens nicht auf die Schwierigkeit 
ihrer Feststellung hin, beachtet und anerkannt werden; wenn sie indessen 
falsch oder nicht ganz und gar richtig sind, plötzlich einen Kapitalwert haben 
und einen Sturm der Entrüstung heraufbeschwören. 
Gewissermaßen als Prolog aber steht folgender Spruch am Anfange 
der Darstellung: 
„Ein Fürstenstamm, deß Heldenlauf 
Reicht bis zu unsren Tagen; 
In grauer Vorzeit ging er auf, 
Mit unsres Volkes Sagen.“ 
Um dem Wandgemälde einen passenden stimmungsvollen Untergrund 
zu geben, ist — im Stile der Renaissance-Architektur des Königl. Schlosses 
gehalten — die Mauer mit einem auf ihrer ganzen Länge ausgespannt er— 
scheinenden Teppich bemalt worden, der einen integrierenden Bestandteil des 
ganzen Frieses bildet. Voll edelster Wirkung heben sich die figürlichen 
Darstellungen, welche den eigentlichen Fürstenzug bilden, von jenem Teppich 
ab; dessen untere Borde ein fünf Meter hoher Sandsteinsockel vom Fuß- 
steige trennt. 
Ausgeführt ist das Ganze, wie schon kurz erwähnt worden, in Kratz- 
Manier; von den Italienern, die diese Art der Zeichnung im 15. Jahr- 
hundert zuerst aufbrachten, allo Ssgraffito genannt, herrührend von dem 
Worte Sgraffiare, das heißt kratzen oder schaben. Nicht nur ist die künst- 
lerische Wirkung eines auf solche Art hergestellten Gemäldes eine hervor- 
ragend schöne und originelle, sondern, wenn die vorbereitenden Grundierungs- 
arbeiten sorgsam ausgeführt worden sind, hält das Kunstwerk auch jeder 
Witterung stand. Außerdem ist die Technik eine sehr interessante. Freilich 
muß die Hand des Künstlers sehr sicher sein, denn ein Übermalen oder 
Wegwischen irgend welchen Fehlers ist hier nicht möglich. Die zu dekorierende 
Wandfläche wird vorerst mit einer schwarzen Masse, bestehend aus einer 
Mischung von Kalk, Zement und fein gemahlenen Schlacken, gleichmäßig 
bedeckt. Während jener dunkle Putz noch feucht ist, kommt auf denselben 
eine hellfarbige, besonders präparierte Kalkschicht, welche sich, dank ihrer 
chemischen Bestandteile, mit der unteren fest und dauernd zu einem Ganzen 
verbindet und nicht abblättern darf. Auch die eigentliche Grundlage für das 
Ganze, die betreffende Steinmauer selbst, ist in dieser innigen Verbindung 
inbegriffen. Mit der Wahl einer gelblich gefärbten Oberschicht hat man 
gerade hier, für Dresden, einen sehr glücklichen Griff getan. Denn jenes 
helle Erbsengelb gleicht völlig dem Tone des Sandsteines von Pirna und 
Postelwitz, welcher zu den Roh-Fassaden der hervorragenderen Bauwerke in 
und um Dresden hauptsächlich benutzt wird. Mit einem spitzen und scharfen 
Eiseninstrument werden die Linien, Striche und Schraffierungen der Zeich- 
nung in die Oberschicht geritzt, und der Eindruck des Bildes ist vollkommen 
der einer Ausführung in schwarzer Kreide.
	        
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