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Da Markgraf Albrecht (einem allerdings unerwiesenen, jedoch allgemein
als wahr angenommenen Gerüchte zufolge, durch Giftmord) im Jahre 1195
ohne Hinterlassung männlicher Erben starb, so war sein Bruder Dietrich
sein Nachfolger. Den Namen „der Bedrängte" hat derselbe in Wahrheit
verdient. Denn selbst als nach dem Tode seines Bruders Albrecht dessen
unaufhörliche Reibereien und Befehdungen eine Endschaft erreichten, konnte
Dietrich noch lange Zeit nicht seines Lebens froh werden. Kaiser Heinrich VI.
hatte nämlich, wenn auch gegen alles Herkommen, Meißen als erledigtes
Reichslehen eingezogen. Möglicherweise sollte diese ungewöhnliche und harte
Maßregel eine Antwort des gegenwärtigen Königtums auf eine frühere
eigenmächtige Landesverteilung (seiten Konrads) und dadurch an den Tag
gelegte reichsfürstliche Anmaßung bedeuten. Jedenfalls entsprach dieser Akt
Heinrichs VI. ganz dem großen politischen Ziele nach Herstellung einer
Reichseinheit unter möglichst erblichen Kaisern, welches dem Hause Hohen-
staufen von jeher vorgeschwebt hat. Übrigens hatte Dietrich, trotz des
Kaisers, sofort nach seines Bruders Tode tatsächlichen Besitz von der Mark
Meißen und Zubehör ergriffen und der (ihm freilich außerordentlich gelegen
kommende) Tod des Reichsoberhauptes im Jahre 1197 brachte in Bezug
auf die Wettiner kaum eine Anderung der in praxi bestehenden Verhältnisse,
nur das damit alle Zweifel über die Gültigkeit von Dietrichs Herrschaft
gelöst waren. Denn man focht dieselbe nicht ernstlich weiter an, bis sie
bestätigt wurde. Im allgemeinen aber, und für ganz Deutschland im be-
sonderen, bedeutete des sechsten Heinrich Tod (1197) den Eintritt großer
Verwirrungen. Die zahlreichen Feinde der Hohenstaufischen Macht, unter
Führung der Welfen und unterstützt vom Papste, regten sich zu ihrer Ver-
nichtung. Des verstorbenen Kaisers Bruder, Philipp von Schwaben, ward
zwar von den meisten deutschen Fürsten zum Könige erwählt, und die
Wettiner standen treulich auf seiner Seite, indessen hatte er gegen den vom
Papste aufgestellten Gegenkönig Otto von Braunschweig einen harten Stand.
Schließlich wurde Heinrichs Sohn als Friedrich II. 1218 deutscher König.
(Seine Tochter, die letzte Hohenstaufin, wurde — dies mag hier vorweg
erwähnt werden — die Gemahlin Albrechts des Unartigen von Meißen.)
In der Tat, Dietrich war nicht auf Rosen gebettet. Bedrängt erst vom
eigenen Bruder, dann vom Gegenkönig, Papst und Geistlichkeit, hatte er
auch noch einen harten Strauß mit den Bürgern der guten Stadt Leipzig
auszufechten, denen sich ein Teil des osterländischen Adels angeschlossen hatte.15)
leider wird so oft „Hochmut“ mit „Stolz“ identifiziert, während dies doch zwei verschiedene
Eigenschaften sind. Zwar halten manche den Begriff „Stolz“ — eben weil sie ihn mit
„Arroganz“ verwechseln —, auf Stelzen gehend, ohne weiteres für unsittlich, da es das
Geltendmachen wirklicher oder eingebildeter Vorzüge bedeute. Indessen dürfte wahrer Stolz,
in dem Sinne wie Cicero ihn meint, wenn er denjenigen für keinen ehrliebenden Mann hält,
der nicht auf seine Bäter stolz sei, von wahrer Demut und dem Bestreben, gut, tüchtig
und edel sowie dessen würdig sein zu wollen, was man ererbt hat, doch unzertrennlich sein.
15) Der Begriff „Osterland“, d. h. östliches Land, aus den Zeiten stammend, in denen
Saale und Mulde ungefähr die Reichsgrenze bezeichneten (ganz in der Weise, wie die „Öst-