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Nicht einmal Gebrechlichkeit oder Alter des Markgrafen können als
Entschuldigungsgründe angeführt werden oder erleichtern das Verständnis.
In voller Kraft des Lebens stehend, nahm er diese Teilung vor, eine jener
unseligen Maßregeln, die schon den größten Geschlechtern verhängnisvoll
geworden sind und die fundiertesten Besitze an den Rand des Abgrundes
gebracht haben.
Nach einem kurzen überblick über den Zustand des Landes soll weiter
über diese Teilung gesprochen werden.
Der letzte Teil der Regierungszeit des Minnesingers auf dem Markgrafen-
stuhle, der den Höhepunkt der Entwickelung des Rittertums erlebt hatte,
fällt so ziemlich mit derjenigen Epoche zusammen, in welcher die Ausbildung
des Städtewesens sich mächtig zu regen begann und letzteres aufblühend an
die Seite des allmählich, wenn auch damals noch fast unbemerkt, zum Welken
neigenden Rittertums trat. Wäre von beiden Seiten der rechte gute Wille
gegenseitiger verständnisvoller Hilfsbereitschaft bei wahrhaft national-patrio-
tischem Empfinden die Triebfeder des Tuns gewesen, anstatt daß Neid und
Mißgunst, Engherzigkeit und Selbstsucht — von beiden Seiten ins Gefecht
geführt — einander bis aufs Blut befehdeten, so würden vermutlich, ja sicher,
der durch Städtewesen und Bürgertum korrigierte, aufgefrischte und zu neuer
Höhe gelangende Adel einerseits, wie das durch jenen auf richtige Weise
angeregte, in seiner Tüchtigkeit immer mehr erstarkende und dabei duldsam
bleibende, nicht in den Fehler der Selbstgerechtigkeit verfallende Bürgertum ander-
seits zwei gleich feurige, gleich lenksame und gleichmäßig einem Ziele zustrebende
Rosse vor dem Siegeswagen Germaniens geworden sein. Leider zogen beide
vor, in der Hauptsache verschiedene Wege einzuschlagen oder doch, wenn sie
zusammengingen, dies mehr oder weniger als feindliche Brüder zu tun.
Für die Markgrafschaft Meißen, dieses den Slaven und deren Unkultur
so nahe deutsche Grenzgebiet, mußte die unter Heinrich dem Erlauchten voll-
zogene enge Vereinigung mit dem der alten Franken-Kultur von jeher weit
näheren Thüringen von besonders segensreichem Einfluß sein. Durch die
innige Anlehnung an jenes gesegnete Land, welches zweimal in der Geschichte
dem Höhepunkte deutschen Geisteslebens, im Mittelalter und in der Neuzeit,
eine traute Heimstätte sein durfte; durch die Verschmelzung mit jenem
Thüringen, in dessen lieblichen Tälern und auf dessen andachtheischenden
Waldgebirgen Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach,
Friedrich Schiller und Wolfgang Goethe wandelten und geschaffen haben,
ist Meißen erst so recht eigentlich in der umfassenden ethischen Bedeutung
ein deutscher Staat geworden. Die höfischen Sitten auf Burgen und Schlössern
des höheren waren vorbildlich für diejenigen des niederen Adels geworden,
und es wäre sehr ungerecht, den, wenn auch oft rauhen so doch nicht
rohen Herren, deren Stand und Aufgaben durch die Gebote der Ritterregeln
wesentlich veredelt worden waren, ihren Anteil an der Kulturarbeit streitig
machen zu wollen. Als feste Horte von Religion und Wissenschaft, Kunst
und Kunsthandwerk, wie nicht minder als belebende und belehrende Ausgangs-