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Interesse für das Gemälde schärfen und stärken, nicht aber durch das Be—
schreiben das Betrachten überflüssig machen will.?)
Charakteristisch ist auch der Schellenbehang an der Pferde-Ausrüstung,
welcher uns an der Kleidung der Menschen noch oft begegnen wird. Man
braucht nicht weit zu suchen, um den Ursprung der Anwendung von Glöcklein
oder Schellen zu finden, und keine gekünstelte Hypothesen aufzustellen. Schon
in den ältesten Zeiten (und nicht nur in den verschiedenen Gegenden, die
den Schauplatz der Odyssee bilden, sondern gerade auch in den wild zer—
klüfteten Waldgeländen unserer deutschen Heimat) wurden die Tiere — min—
destens aber die Leittiere einer Herde — welche auf den Fluren grasend
sich ihre Nahrung suchen mußten, um des leichteren Wiederfindens willen
mit einem Glöcklein behangen, ganz wie es noch heute dort üblich ist, wo
Weidegang herrscht. Auch die Rosse weideten in dieser Weise, und das helle
Klingen ihrer Glöcklein mag schon früh die Reiter belustigt haben.
Das Zeitalter des erwachenden Minnegesanges, welches Blumenduft
und Sonnenschein, Vogelgesang und Hörnerschall über alles liebte, und
Frohsinn, Lust und Heiterkeit gern auch äußerlich zur Schau trug, hat diese
gehenden, fahrenden und reitenden Glockenspiele beibehalten und ausgebaut.
Es erfreute sich des Geklingels der Glöcklein und Schellen an der Zäumung
der Rosse, an der Kleidung kriegerischer Helden, an der Gewandung schöner
Damen. Erst sehr spät sanken die Schellen zur Charakteristik der Narren-
tracht herab und paradieren jetzt nur noch bei den Schlittenpferden. — Sic
transit gloria mundi.
Wie bei der Pferde-Equipierung, so hat der ausführende Künstler auch
bei Darstellung der am Auge des Beschauers vorbeigleitenden Figuren der
Fürsten und Mannen das große Verständnis an den Tag gelegt, welches
er für historische Erscheinungen, für Kunst und Kunstgewerbe, für die Ge-
schichte der Menschen und diejenige der Kostüme besitzt. Spangen und
Schnallen, Knöpfe und Agraffen, Riemen und Bänder sind, wie die Be-
kleidungsstücke selbst, deren Formen und Schnitte, Tragart und Anbringungs-
weise, allenthalben der beurkundeten Richtigkeit entsprechend, im Bilde fest-
gehalten. Auch die Haartracht, sowie die wechselnde Art, die Bärte zu
tragen, läßt sich genau beobachten. Die lang und frei herabwallenden alt-
germanischen Locken, welche die Deutschen sich zurückerobert hatten, indem
2,) Viel, oft viel zu viel Geld ward für die Ausschmückung von Roß und Mann
ausgegeben. Um die Tugend der Genügsamkeit aufrecht zu erhalten, verbot deshalb den
Tempelherren die Ordensregel ausdrücklich, Zügel und Gurte usw. mit Silber, Gold und
Edelsteinen zu verzieren. Denn die Zeit, in welcher die ritterlichen Ordensbrüder durch
Leben und Verhalten dem Bilde ihres Insiegels etnsprachen, auf welchem zwei Ritter auf
einem Pferde saßen zum Zeichen der Bescheidenheit und dessen, daß ihnen alles gemeinsam
gehöre, war nur zu bald vergangen. Auch wurden wiederholt päpstliche Edikte in dieser
Richtung erlassen, um der Verschwendung vorzubeugen, die allenthalben begann, ein fressender
Krebsschaden am Wohle des einzelnen wie des gesamten Volkes, besonders aber der rttter-
lichen Gesellschaft, zu werden. Man denke mit Dankgefühl an die Kabinetts-Ordres der
neueren Zeit. Aber freilich: in erster Linie muß das Beispiel wirken.