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Eine indirekte Folge der Teilung innerhalb des Hauses Wettin war
die gewesen, daß die jüngere, herzogliche, Linie von den Interessen der Politik
des Kurfürstenkollegiums abgetrennt, dem Hause Habsburg sich näherte. Jene
Politik hingegen hatte sich nach und nach zu dem Bestreben ausgewachsen,
die Macht der großen Reichsfürsten der des Reichsoberhauptes gleichwertig
gegenüber zu stellen, beziehungweise auf die Beschränkung der letzteren hin—
zuarbeiten. Diese Annäherung ward bald zu einer beinahe völligen Hingabe
und hat in der Albertinischen Linie fortgeerbt, auch nachdem die Kurwürde an
sie gefallen war, ohne — man kann das wohl ohne übertreibung sagen —
jemals wirkliche Vorteile gebracht zu haben. Der Mensch als Einzelwesen
soll (da der Egoismus eines der allerhäßlichsten Laster ist und zur Zersetzung
aller ethischen wie praktischen Grundlagen beiträgt) nicht nach Vorteilen
ausschauen. Für Fürsten, als Vertreter großer Gesamtheiten indessen, kann
wohl die Grenze dieser an sich so überaus richtigen Vorschrift um eine
Wenigkeit verschoben werden, die ihr Korrektiv in der Gerechtigkeit und Ehr—
liebe finden muß.
Herzog Georg von Sachsen setzte seine Person und sein Geld wie im
Reiche selbst so im fernen Friesland ein — dem unglücklichen Danaer—
geschenk, welches einst seinem Vater Albrecht dem Beherzten als fragwürdige
Belohnung für dessen hervorragende Opfer und Mühen um die kaiserliche
Sache (an Stelle der Wiedererstattung dieser Opfer) von Maximilian I.
dargebracht worden war. Bevor Georg schließlich seine und seines Hauses
Ansprüche an Friesland dem Erzherzog Karl von Österreich (nachmaligem
Kaiser Karl V.) verkaufte, hatte er harte Kämpfe gegen den dortigen Grafen
Edzard zu bestehen, der, als Vizestatthalter eingesetzt, das von ihm im Auf-
trage des Herzogs von Sachsen den Aufständischen Abgenommene für seine
(Edzards) Person zu behalten bestrebt war.
Georgs Absicht, seinem Bruder Heinrich, der dem Luthertum zugetan,
war, sein Land nur unter der Bedingung zu hinterlassen, daß jener das-
selbe bei dem gegenwärtigen Religionsstande erhalte, ward vereitelt, indem
der Tod den Achtundsechszigjährigen ziemlich überraschend ereilte. Traurig,
daß religiöser Übereifer so oft über das Ziel hinausschießt und in Augen-
blicken störend wirkt, wo ruhige Sammlung und das Alleinsein mit Gott so
nötig ist. Ein Beispiel hierfür gab der katholische Pfarrer Eisenbergk, der
die Ruhe des Sterbezimmers durch unaufhörliches Eindringen in den Herzog
störte, derselbe solle seinen Schutzheiligen, den Apostel Jakobus, anrufen.
Die Absicht ging unzweifelhaft dahin, das nicht im letzten Augenblicke um-
stürzen zu sehen, was Emser und Pflugk, Eck und Cochläus dem Zweifelnden
eingeredet hatten, den Haß gegen Luthers Lehre. Als schließlich zwei an-
wesende Getreue des Herzogs, Johann von Lindenau und Friedrich von
Oelsnitz, den Ungestümen entfernt hatten, schlang voller Rührung der Leib-
arzt Dr. Roth die Arme um den gedankenvoll Daliegenden und sagte:
„Gnädiger Herr, Ihr habt ein Sprichwort: Geradezu gibt gute Renner.
Darum, so achtet nicht, was Euch von verstorbenen Heiligen und anderen