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ein zu deutsch gesinnter Fürst war, als daß er eine Annäherung an die
Bourbons nicht nur als einen vorübergehenden Schachzug seiner weitsichtigen
und schlauen Politik betrachtet haben sollte — eine Abrechnung auch mit
dem Räuber von Metz ins Werk gesetzt haben würde. Nach der Schlacht
bei Mühlberg 1547 erhielt Herzog Moritz von Kaiser Karl V. die seinem
Vetter Johann Friedrich abgenommene Kurwürde und den Kurkreis. Doch
ließ Moritz — der junge Löwe, der nur geschickt die Gelegenheit abwartete,
um mit gewaltiger Tatze ein Netz zu sprengen, in dessen goldenen Maschen
verstrickt zu sein, seiner ganzen Natur widersprach — durch diesen Gnaden—
beweis sich weder blenden noch einschläfern. Sowie er bemerkte, oder viel—
mehr Beweise dafür hatte, daß der spanische Karl die Gewalt der einzelnen
deutschen Reichsfürsten zu brechen und aus Deutschland eine hispanische
Provinz zu machen trachtete, die evangelische Lehre Luthers aber, sowie die
Gewissensfreiheit von dessen Landsleuten von Grund aus vernichten wollte,
wandte er sich in offenem Bruch vom Kaiser ab und gegen ihn. Daß der neue
albertinische Kurfürst sich somit kühn an die Spitze der nationalen Be—
wegung setzte, die schon längst in den Herzen der Deutschen als eine un—
abweißbare Notwendigkeit sich vorbereitet hatte, nur des Funkens harrend,
der sie entzünden würde, ist unleugbar eine gewaltige Tat. Dieses hohe
Verdienst darf ihm auch von denen nicht geschmälert werden, welche die —
freilich nicht immer ganz durchsichtige — Größe seines Charakters nicht an—
erkennen wollen. Der in Innsbruck weilende Kaiser, der den „tollen und
vollen Deutschen“ so fein gesponnene Pläne nicht zutraute, ward nun von
des Kurfürsten Moritz kriegerischen Scharen, deren Fahnen damals von der
unteren Elbe bis zum Brenner wehten, hart bedrängt. Nach der Er—
stürmung der Ehrenberger Klause, jenes festen, bisher als uneinnehmbar
gegoltenen Bollwerkes, welches den Schlüssel zum Lande Tirol bildete
(am 19. Mai 1552), trat Karl V., nachdem er vorher den weiland Kur-
fürsten Johann Friedrich seiner harten Haft entlassen hatte, eiligst seine
Flucht über den Brennerpaß an, um nicht seinerseits in Gefangenschaft
zu geraten.5)
Die Macht des spanischen Habsburgers über Deutschland war gebrochen;
— ein welthistorischer Moment. Der nächste Erfolg zeigte sich im Vertrag
zu Passau (2. August 1552), welcher außer anderen Bedingungen haupt-
sächlich die enthielt, daß über die kirchliche Frage ein im Laufe des Jahres
zu berufender Reichstag entscheiden solle; — wodurch die Zuständigkeit des
Tridentinischen Konzils über die deutschen Protestanten grundsätzlich auf-
gegeben war. Freilich hatten Moritz und seine Verbündeten, um die Streit-
kräfte des Kaisers abzulenken und dadurch ihr Vorgehen um so wirksamer
558) Nur das gerade im entscheidenden Augenblicke eintretende Meutern eines Lands-
knechtsregimentes, welches rebellisch wurde, weil es den üblichen Sturmsold nicht sofort er-
halten konnte, ist daran schuld, daß der Kaiser nicht gefangen genommen werden, sondern
der eisernen Umarmung entschlüpfen konnte. übrigens soll Moritz geäußert haben: „Ich
habe keinen Käfig für einen solch' großen Vogel.“