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derivativen Erwerbsgründen. Vermittelst der ersteren
erwirbt ein Staat die Gebietshoheit über solche Gebiete, welche
zur Zeit des Erwerbs überhaupt keiner staatlichen Hoheit
unterstehen, während er bei den letzteren als Rechtsnachfolger
eines bis dahin das Gebiet beherrschenden anderen Staates
auftritt.
Von ursprünglichen Erwerbsgründen kommen für
das moderne Völkerrecht nur zwei in Betracht: die Okku-
pation und die Akzession.
1. Unter Okkupation versteht man im völkerrechtlichen
Sinne den Erwerb der Gebietshoheit vermittelst Besitzergreifung
staatenlosen Landes. Dieser Erwerbsgrund hat zu allen Zeiten,
besonders aber im Zeitalter der Entdeckungen und wieder
in der neuesten kolonialen Bewegung, eine hervorragende Be-
deutung gehabt. Derselbe bildete den Gegenstand unzähliger
Staatsstreitigkeiten und nicht minder zahlreicher theoretischer
Streitfragen. Die einen wie die anderen sollen in dem speziell
der Okkupationslehre gewidmeten zweiten Teile dieser Schrift
eine eingehende Erörterung finden. Indem wir darauf ver-
weisen, begnügen wir uns hier damit, der Okkupation ihre
Stelle in der allgemeinen Ubersicht über die Gebietserwerbs--
gründe angewiesen zu haben.
2. Von sehr viel geringerer Bedeutung für das Völker-
recht ist der Gebietserwerb durch Akzession oder Zuwachs.
Der Begriff dieses Erwerbsgrundes ist derselbe wie im Privat-
recht, welches auch gerade bei dieser Materie fast durchweg
in analoger Weise angewendet werden kann. Auf Grund des