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auch keine eigentliche Gebietsübertragung durch Zession mög-
lich; einmal, weil ein völkerrechtlicher Vertrag nur zwischen
Rechtssubjekten des Völkerrechts geschlossen werden kann, und
Sodann, weil nur diese eine wirkliche Gebietshoheit besitzen
und demgemäss abtreten bezw. erwerben können. Wir baben
Schon oben darauf hingewiesen, dass die in neuerer Zeit be-
sonders häufigen Verträge mit Häuptlingen barbar-
ischer Stämme, in welchen dieselben ihre Hoheitsrechte
über ein bestimmtes Getiet an Europäcr abtreten, einen
eigentlichen Erwerb der Gebietshoheit zu gunsten des Zess-
ionars nicht begründen können. Dies ergiebt sich schon aus
dem allgemeinen Grundsatz: nemo plus iuris in alterum trans-
ferre potest, quam ipse habet; denn bei den unentwickelten
staatlichen Zuständen in den betreffenden Gebieten kann von
einer Gebietshoheit im staats- und völkerrechtlichen Sinne
auf Seiten des Zedenten nicht die Rede sein. Seinem ma-
teriellen Inhalt nach kann ein derartiger Vertrag nichts
weiter bekunden, als den Willen des Zedenten, sich und die
seiner wie immer gearteten Gewalt unterstehenden Einge-
borenen der Herrschaft des europäischen Staates zu unter-
werfen und sich einer Okkupation des Gebiets seitens dieses
Staates nicht zu widersetzen. Ein derartiger Vertrag kann
daher, seine Giltigkeit einstweilen vorausgesetzt, keine Gebiets-
hoheit übertragen; er kann nur die Grundlage für eine nach-
folgende Okkupation abgeben, und durch diese erst erwirbt
der okkupierende Staat in originärer Weise eine wirkliche
Gebietshoheit über das Land. Wir haben es also in diesen