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ihnen und den Gliedern der Völkerrechtsgemeinschaft quasi-
Völkerrechtliche Beziehungen und Verpflichtungen, welche
zwar nicht stricti juris sind, deren Respektierung aber von
der natürlichen Billigkeit und der bona fides der zivilisierten
Staaten erwartet werden darf. Dieser Erwartung haben auch
die Staaten, besonders bei ihren neuesten kolonialen Unterneh-
mungen in Afrika, allgemein entsprochen, indem sie aner-
kannt haben, dass solche sog. Zessionsverträge mit einge-
borenen Häuptlingen diese jedenfalls soweit binden, dass sie
das einmal einem Staate vertragsmüssig Zzugesicherte Gebiet
nicht nachträglich auch an einen andern Staat veräussern
können, während der Vertrag andererseits dem kontrahierenden
europäischen Staat zum mindesten ein Präventionsrecht zur
Okkupation gegenüber dritten Staaten sichert. Auch davon
soll unten weiter die Rede sein.:) An dieser Stelle genügt
es, diese äusserlich als Zessionsverträge auftretenden Ver-
einbarungen auf ihren wahren Wert zurückgeführt und an
den ihnen im System der Gebietserwerbsgründe gebührenden
Platz verwiesen zu haben.
Eine an sich giltige Gebietsabtretung kann unter Um-
ständen vonseiten dritter Staaten angefochten werden und
dadurch ihre volle völkerrechtliche Wirksamkeit verlieren,
wenn durch die Abtretung ein durch vorhergegangenen völker-
rechtlichen Vertrag, an dem auch jene dritten Staaten teil-
) Vergl. über diese höchst interessante Frage vor Allem den Auf-
Satz von Stengel’s über deutsches Kolonialstaatsrecht in Hirth's Ann.
1887. S. 347 ff.