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genommen haben, festgesetzter Rechtszustand verletzt wird.)
Inwieweit ein solcher, unzweifelhaft völkerrechtlich begründeter
Widerspruch erhoben und praktisch wirksam wird, hängt
jedoch in erster Linie von politischen Rücksichten ab. Der
wichtigste Fall, der hier in Betracht kommt, ist der, wenn
ein im allgemeinen Interesse der Staatengemeinschaft ver-
tragsmässig neutralisiertes Gebiet, wie die Schweiz oder Bel-
gien, ganz oder zum Teil an einen andern Staat abgetreten
werden sollte. Jedenfalls muss bei Abtretung eines derart
neutralisierten Gebiets die rechtliche Sonderstellung desselben
gewahrt und seitens des neuen Erwerbers anerkannt werden,
wie dies auch praktisch bei der Erwerbung der zu Savoyen
) Es handelt sich dabei meistens um die Wahrung des sog. poli-
tischen Gleichgewichts. Diescs ist jedoch kein Rechtsprinzip, son-
dern ein rein politisches System. Vergl. Bulmerincq, Theorie, Praxis
und Codification d. V. R. S. 40 ff. — Rechtsansprüche können auf das
Prinzip des politischen Gleichgewichts nur insofern gegründet werden,
als dasselbe seinen Ausdruck in internationalen Rechtsakten, in Ver-
trägen, gefunden hat. Die wichtigsten Verträge aus neuerer Zeit, welche
eine derartige Fixierung des internationalen Besitzstandes im Sinne der
Erhaltung des Gleichgewichts bezweckten, sind die Wiener Kongress-
akte von 1815, der Pariser Frieden v. J. 1856 und der Berliner Frieden
von 1878, von denen der erstere die gesamteuropäischen, die beiden
letzteren die orientalischen Besitz- und Machtverhältnisse regelten. Auf
die Wiener Kongressakte gründete sich u. A. der Protest Grossbritan-
niens gegen die Abtretung der neutralen Republik Krakau an Österreich
1846 und der erfolgreiche Widerspruch Preussens gegen die künfliche
Abtretung Luxemburgs vonseiten des Königs der Niederlande an
Napolcon III. 1867. Der Pariser Frieden bildete die Rechtsbasis für
den Einspruch der neutralen Grossmächte gegen die im Frieden von
S. Stefano vereinbarten Gebictsveränderungen. Auch der Berliner Frieden
würde gegenüber etwaigen künftigen Gebictsabtretungen auf der Balkan-
halbinsel für die bei der Zession selbst unbeteiligten Vertragsmächte
Widerspruchsrechte begründen.
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