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Rechts 1) blieb im Mittelalter und bis in die neuere Zeit hinein
herrschend. Auf sie gründete auch die Theorie die Lehre
vom Beuterecht und von der Eroberung feindlichen Gebiets.:)
Man sah also in der Eroberung des als Staatseigentum auf-
gefassten feindlichen Gebietes nichts Anderes, als eine quali-
fizierte Okkupation einer herrenlosen Sache.
Diese Anschauung vom Kriege, welche den besiegten
Feind als rechtlos und sein Gut als herrenlos betrachtete,
ist nicht mehr die des modernen Völkerrechts. Dies erkennt
vielmehr die öffentlichen wie die privaten Rechte des feind-
lichen Staates, und vor allem die Rechte seiner friedlichen
Unterthanen auch während des Krieges als fortbestehend im
Prinzipe an, und wo es gleichwohl ausnahmsweise Eingriffe
in diese Rechte zulässt, thut es dies nicht, weil es dieselben
negierte, sondern lediglich aus Rücksichten der unvermeid-
lichen militärischen Notwendigkeit oder als Zwangsmittel
gegen den feindlichen Staat. Das Beuterrecht ist demnach
heute, wenn nieht, ganz beseitigt, so doch auf gewisse Aus-
nahmsfälle eingeschränkt.2)
1) Mit der von der hier wiedergegebenen herrschenden Auflassung
der occupatio bellica im römischen Recht abweichenden Theorie Leists,
welcher wir gerade für das Völkerrecht grosse Bedeutung zuerkennen,
werden wir uns in der Lehre von der Okkupation näher auseinander-
zusetzen haben.
2) Vergl. Grotius, Iib. III, cap. 6, de iure adquirendi bello capta
bes. § 2—4.
8) Vergl. darüber Bluntschli, das Beuterecht im Krieg und das
Sccbeuterecht insbesondere. Nördlingen 1878. Und dess Völkerrecht
§ 644 fl., bes. § 657.