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Auch die Gebietshoheit des feindlichen Staates
wird durch die militärische Besetzung seines Gebiets,
der eines Teiles desselben, nicht zu gunsten des Okku-
panten vernichtet oder auf diesen übertragen. So-
lange der feindliche Staat fortbesteht, und der Krieg nicht
auf irgend eine Weise ein Ende gefunden hat, begründet die
militärische Okkupation des Landes nur ein faktisches und
Drovisorisches Besitzverhältnis, aus welchem sich sowohl für
den besetzenden Staat als für die Bewohner des besetzten
Gebiets vielfache Rechte und Pflichten ergeben, welches aber
niemals dem okkupierenden Staat die eigentliche Gebietsho-
heit verleiht. Von einem Eigentumserwerb im privatrecht-
lichen Sinne kann vollends selbstverständlich nicht die Rede
Sein, da ja ein solches nach moderner Rechtsanschauung dem
Staate an seinem Gebiete überhaupt nicht zusteht. Diese mili-
tärische Besetzungu), welche man früher als occupatio
bellica transitoria oder als occupatio territorii bezeich-
nete, kann zu einem Erwerb der Gebietshoheit, einer occu-
patio imperii oder occupatio bellica perfecta, nur durch
die Beendigung des Krieges führen.)
1) Uber die militärische Okkupation eines Territoriums während
des Krieges und den durch diesclhe geschaffenen Rechtszustand vergl.
Corsi, L’occupazione militare in tempo di guerra; Löning, Geschichte
der Verwaltung des General-Gouvernements im Elsass, Strassb. 1874;
De Waxzxel, DU’armée invasion et la population. Leurs rapports pen-
dant la guerre. Leipzig 1874 Ferner die Ilandbücher von Calvo III.
S. 179 fl. F. v. Martens II. S. 506 fl. Hall (2. Aufl.) S. 423 fl. u. a.
„:) Vergl. Les Lois de la guerre sur terre. Mannel publié par
Tinstitut de droit international. 1880 Art 6. „Aucun territoire en-