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bei den letzteren mit Willen und durch den Willen des bis-
herigen Herrschers vollzieht. Dieser Unterwerfungswille über-
lebt die Existenz des sich unterwerfenden Staates und bildet
im Verein mit der Annahmeerklärung des erwerbenden Staates
den Rechtsgrund des Gebietserwerbs. Es liegt also jedenfalls
kein ursprünglicher, sondern ein abgeleiteter Erwerb vor, der
schr wohl unter den Gesichtspunkt der Zession im weiteren
Sinne gebracht werden kann. Dasselbe ist der Fall, wenn
Zufolge verfassungsmässiger Bestimmung ein Staat beim Ein-
tritt eines gewissen Ereignisses, z. B. des Aussterbens des
regierenden Hauses, mit einem andern Staate vereinigt werden
Soll; die Vereinigung vollzieht sich dann auf Grund der in
der Verfassung ausgesprochenen, bedingten Willenserklärung
und deren Annahme seitens des erwerbenden Staates. Man
könnte in diesen Fällen von einer Rechtsnachfolge auf Grund
einer letztwilligen Willenserklärung sprechen, ohne dass man
dabei jedoch an ein dem privaten Erbrechte analoges Ver-
hältnis denken dürfte.7)
) Der patrimonialen Staatstheorie und der darauf ruhenden älteren
Völkerrechtslehre machte die Konstruktion der Abtretung eines ganzen
Staatsgebiets nicht die geringste Schwierigkeit. Es handelte sich dabei
einfach um die Abtretung eines Rechts seitens des persönlichen Inhabers
desselben, die ganz nach Analogie des Privatrechts entweder zu dessen
Lebzeiten oder durch letztwillige Verfügung sich vollziehen konnte.
Darum wurde auch von den älteren Völkerrechtsschriftstellern ganz all-
gemein das Erbrecht in seinen verschiedenen Formen als Intestat-,
testamentarisches und vertragsmässiges Erbrecht unter die Erwerbs-
gründe der Gebietshoheit gerechnet. Spielte doch auch in der Staaten-
praxis früherer Jahrhunderte der Gebietserwerb durch Erb- und Ehe-
recht (dos) neben der Eroberung die wichtigste Rolle. Besonders war
österreich wegen seiner auf Familien- und Erbrecht begründeten Er-