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Sitz als einen rechtmässigen gelten lassen wollten, der sich
auf einen untadeligen Erwerb in einer der anerkannten Formen
Washington vom 8. Mai 1871 überein, die Entscheidung über die richtige
Auslegung der streitigen Bestimmung dem Schiedsspruch des Deutschen
Kaisers zu übertragen, „who“, wie es in dem Vertrage heisst, „having
regard to tbe above mentioned article of the said treaty (v. J. 1846),
shall decide thereupon finally and without appcal which of those claims
is most in accordance with the true interpretation of the treaty of
June 15., 18464.
Der Schiedsspruch vom 21. Oktober 1872 lautete dement-
sprechend wörtlich: „Mit der richtigen Auslegung des zwischen den
Regierungen Ihrer Britischen Majestät und der Vereinigten Staaten von
Amerika geschlossenen Vertrags de dato Wasbington den 15. Juni 1846,
steht der Anspruch der Ver. Staaten am meisten im Einklang, dass die
Grebpzlinie zwischen den Gebieten I. Brit. M. und der Ver. St. durch den
Haro-Kanal gezogen werde.“
Dieser Schiedsspruch schafft kein neues Recht, sondern
er interpretiert bloss das in dem Vertrage zwischen den Parteien bereits
enthaltene, aber nicht mit der nötigen Bestimmtheit ausgesprochene Recht.
Er zieht auch keine Grenzlinie, sondern erklärt bloss, dass eine bestimmte
Fixierung derselben seitens der beteiligten Staaten deren Vertragsrecht
am meisten entsprechen würde. Die zur Ausführung der Bestimmung
des Vertrags v. J. 1846 nach der schiedsrichterlichen Auffassung erfor-
derliche Gebietsahbtretung wurde sodann von Grossbritannien vollzogen.
Dieses brachte damit uur seinen eigenen, im V. v. 1846 implicite ent-
haltenen und durch den V. v. 1871 näher bestimmten Willen zur Aus-
führung. Die Vereinigten Stauten gründen also ihre Gebiets-
hoheit über San Juan nicht auf den Schiedsspruch des Deut-
schen Kaisers, sondern auf den durch diesen Schiedsspruch
näher bestimmten Vertrag v. J. 1816. Der Rechtsgrund ihres Er-
werbs ist nicht die adiundicatio, sondern ein Vertrag. S. die auf die San
Juan-Frage bezügl. Aktenstücke in Acgidi’s Staatsarchiv, Bd. XXV,
S. 175ff. — Vergl. auch den auf eine Grenzstreitigkeit zwischen ltalien
und der Schweiz bezüglichen Schiedsspruch des amerikenischen Gesandten
in Rom, Mr. Marsh, vom 23. Sept. 1874, und die darauf bezüglichen.
Verhandlungen, bei Martens. N. R. G. XX, p. 214 ff. u. 2. Serie I. p. 378. —
Eine schiedsrichterliche Entscheidung des Königs von Holland vom
29. Sept. 1827 in einer Grenzstreitigkeit zwischen den Ver. Staaten und
Grossbritannien wurde von beiden Teilen zurückgewiesen, weil der König
eine willkürliche Grenze bestimmt hatte. Vergl. Bulmerincq, Art.
Schiedsspruch in Holtzendorff's Rechtslexikon Bd. 3.