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der Staaten wie in dem der Einzelmenschen Anerkennung ge-
funden hat. Diese Achtung vor dem durch die Zeit geheiligten
Besitzstande entspricht einem tief innerlichen Zuge der
menschlichen Natur, der sich im Gesamtlehben der Völker
mit derselben Macht geltend macht, wie in der Sphäre der
privaten bürgerlichen Verhältnisse, sie entspricht aber nicht
minder einem unabweisbaren praktischen Bedürfnisse einer
jeden Rechtsordnung.
Im Privatrecht hat dieses Bedürfnis seinen Ausdruck
gefunden in dem Institut der Verjährung. Das römische
Recht, welches in dieser Beziehung für fast alle modernen
Privatrechtssysteme massgebend geworden ist, hat aus dem
Begriff der Verjährung in den Formen der usucapio und der
Pracscriptio selbständige Eigentumserwerbstitel von der grössten
Bedeutung entwickelt. Den praktischen Zweck, den das Recht
mit Schaffung dieses Instituts verfolgte, hebt Gaius (L. 1.
D. de usurp. et usucap. 41. 3) richtig hervor: „Bono publico
usucapio introducta est, ne scilicet qguarundam rerum diu
et fere semper incerta dominia essent, cum sufficeret dominis
ad inquirendas res suas statuti temporis spatium.“
Die Ersitzung als Eigentumserwerbstitel ist ein Erzeugnis
des positiven Rechts, welches für dieselbe eine Reihe von Er-
fordernisscn aufgestellt und insbesondere die Zeit firiert hat,
während welcher der ungestörte Besitz gedauert haben muss,
damit er sich in ein Recht zu besitzen verwandle.
In dieser durchaus positiv-rechtlichen Natur der Ersitzung,
deren rechtliche Wirksamkeit ausschliesslich auf gesetz-