142
geberischer Willkür beruht und sich nicht aus allgemeinen
naturrechtlichen Grundsätzen herleiten lässt, lag für die völker-
rechtliche Theorie von Anfang an die unüberwindliche Schwierig-
keit, die Ersitzung gleich den übrigen Eigentumserwerbsarten
des römischen Rechts ohne weiteres auch auf das Völker-
recht zu übertragen. „Gravis hic difficultas oritur“, so be-
ginnt Grotius seine diesbezüglichen Ausführungen), „de
usucapiendi iure. Namque idd ius cum lege civili sit intro-
ductum (tempus enim ex suapte natura vim nullam effectricem
habet: nihil enim fit a tempore, quamquam nihil non fit in
tempore) locum habere non potest inter duos populos liberos
aut reges etc.“ Grotius sicht jedoch sehr wohl ein, dass
ein der privatrechtlichen Verjährung entsprechendes Rechts-
institut auch im Völkerrecht nicht zu entbehren ist. Er fährt
daher fort: „Atqui id si admittimus, sequi videtur maximum
incommodum, ut controversiae de regnis regnorumque fini-
bus nullo unquam tempore extinguantur: quod non tantum
ad perturbandos multorum animos et bella ferenda pertinet,
sod et communi gentium sensui repugnat.“
Aus dieser Schwierigkeit eröffnet sich ihm wenigstens
teilweise ein Ausweg durch die Anwendung der nicht auf
positiver Rechtsvorschrift beruhenden und auch nicht auf das
Privatrecht beschrünkten pracscriptio immemorialis, der
Verjüährung durch unvordenklichen Besitz, „cuius
Contraria memoria non existit.“ In dem unvordenklichen Be-
Sitzstande sicht Grotius nicht nur die stärkste Präsumtion
1) De J. B. ac. P. II. c. 4 § 1.