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allgemeinen Bewusstsein als ein thatsächlich befestigter
und dauernd notwendiger offenbert. Zur Begründung
einer derartigen allgemeinen Uberzeugung ist jedoch der
Ablauf einer gewissen Zeit erfordérlich, während der sich ein
seinem Ursprung nach unsicherer Besitz allmählich befestigen
und seine innere Notwendigkeit bewähren kann. Wie langer
Zeit es hierzu bedarf, lässt sich im allgemeinen nicht be-
stimmen, sondern hängt ganz von den besonderen Umständen
des einzelnen Falles ab. Die Macht der politischen That-
Sachen erweist sich dabei von grösserem Einfluss, als recht-
liche Erwägungen, und es kommt häufig genug vor, dass
am Ende die Macht über das Recht triumphiert. Wenn das
Unrecht sich nicht nur vorübergehend, sondern dauernd zu
erhalten weiss, so offenbart sich in ihm eben eine die alten
Formen des Rechts vernichtende höhere Notwendigkeit, welche
das Völkerrecht anerkennen muss, wenn es sich nicht in
unlösbaren Widerspruch zu der Wirklichkeit setzen und der
Verteidigung eines durch den unaufhaltsamen Lauf der
Geschichte zum Untergang verurteilten Rechts die höchsten
Interessen der internationalen Rechts- und Staatengemein-
schaft aufopfern will. Da das Völkerrecht selbst durch die
Weltgeschichte fortgebildet wird, so muss es auch die dauer-
haften Ergebnisse derselben anerkennen. (Bluntschli § 28.)
Das ganze bestehende Staatensystem beruht auf der wech-
selscitigen Anerkennung seiner einzelnen Glieder. In dieser
Anerkennung seitens aller übrigen, findet der einzelne
Staat die Rechtsbasis für seine völkerrechtliche Ge-