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mittelalterlich-feudale Vorstellungen getrübt und bis zur Un-
kenntlichkeit entstellt.
Dem Mittelalter fehlte die Einsicht sowohl in die
eigenartig rechtliche Natur der Staatsgewalt, als in die Ein-
heitlichkeit derselben. Wenn das Prinzip der Einheit all-
mälig erkannt wurde und in der unbeschränkten fürstlichen
Souveränetät des Absolutismus einen energischen Ausdruck
fand,, so war die Einsicht in die rein öffentliche Natur der
staatlichen Herrschaft erst der neuesten, an die französische
Revolution anknüpfenden Entwickelung vorbehalten.
Der Staat des Mittelalters war ein Lehnsstaat.
Das Rechtsprinzip, auf dem er beruhte und von dem sein
ganzer Organismus durchdrungen war, war ein privatrecht-
liches. Der König oder Landesfürst war Eigentümer und
oberster Lehnsherr des ganzen Landes — dominus terrae.
An einem grossen Teile des Landes hatte er volles, ungeteiltes
Eigentum im privatrechtlichem Sinne; dies bildete das fürstliche
Kammergut oder domanium. An dem übrigen Lande behielt
er sich bloss das sog. dominium directum, das lehnsherrliche
Obereigentum, vor, während er seinen Vasallen das Unter-
oder Nutzeigentum, sog. dominium utile, überliess. Das Land
Selbst war Objekt dieses zwiefachen, rein privaten Eigentums-
rechts. Die Bewohner bildeten gewissermassen nur eine Per-
tinenz von Grund und Boden. Das grundlegende Rechtsver-
hältnis zwischen dem Herrscher und seinem Lande war das
private Eigentumsrecht an Grund und Boden — dominium,
wohl auch proprietas terrae genannt. Aus diesem Grundrecht