Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

Slawen, das er selbst oder seine Vorfahren durch Gewalt des Schwertes erobert 
und, nach Kriegsrecht erworben hatten, Bistümer zu gründen, zu verleihen und zu 
bestätigen. Darum berief er Herrn Gerold von Oldenburg, Herrn Evermod von 
Ratzeburg, Herrn Berno von Mecklenburg zu sich, damit sie von ihm ihre Würden 
empfingen und ihm als seine Vasallen den Lehnseid leisteten, wie man denselben 
sonst dem Kaiser zu leisten pflegt. Obwohl nun jene dieses Ansinnen für sehr 
drückend hielten, so gaben sie doch um des willen nach, der sich unsertwegen ge— 
demütigt hat, und damit die junge Kirche nicht darunter leiden möchte. Und der 
Herzog verlieh ihnen Gnadenbriefe über ihre Besitzungen, Einkünfte und Gerecht- 
same. Und der Herzog schrieb den Slawen, welche im Lande der Wagrier, der 
Polaben, der Obotriten und der Kycinent) zurückgeblieben waren, dieselben 
Steuern an das Bistum vor, welche bei den Polen und Pommern erlegt werden, 
d. h. von jedem Pfluge drei Scheffel Weizen und zwölf Stück gangbarer Münzen. 
Der Scheffel aber heißt bei den Slawen Curitce, und ein slawischer Pflug wird 
zu zwei Ochsen und ebensoviel Pferden gerechnet. Und die Zehnten vom Lande 
der Slawen nahmen zu, weil deutsche Ansiedler aus ihrer Heimat herbeiströmten, 
um das Land, welches geräumig, fruchtbar an Getreide, reich an vorteilhaften 
Weiden und mit Fisch, Fleisch und allem Guten im Uberflusse versehen war, zu 
bebauen. 
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Markgraf Albrecht der Bür im Havellande. 
Um 1160. 
Quelle: Helmold a. a. O. I1, 89. 
Übersetzung: B. Schmeidler a. a. O. S. 207 und 208. 
89. Damals stand das östliche Slawenland unter dem Markgrafen Adelbert, 
der den Beinamen „der Bär“ führte. Auch er vermochte durch Gottes Gnade 
seinen Anteil und sein Besitztum weithin auszudehnen. Denn er unterjochte das 
ganze Land der Brizanen, der Stoderanen?) und vieler Völker, welche an der 
Havel und Elbe wohnten, und zügelte die Aufsässigen unter ihnen. Zuletzt, da die 
Slawen allmählich verschwanden, schickte er nach Utrecht und den Rheingegenden, 
ferner zu denen, die am Ozeane wohnen und von der Gewalt des Meeres zu 
leiden hatten, nämlich an die Holländer, Seeländer und Fläminger, und zog von 
dort ein groß Volk herbei und ließ sie in den Burgen und Flecken der Slawen 
wohnen. Durch die herankommenden Fremdlinge wurden auch die Bistümer 
Brandenburg und Havelberg sehr gehoben, weil die Kirchen sich mehrten und die 
Zehnten zu einem ungeheuren Ertrage erwuchsen. Aber auch das südliche Elbufer 
begannen zu derselben Zeit die Holländer zu bewohnen; sie besaßen von der Burg 
Salzwedel an alles Sumpf= und Ackerland, nämlich das Balsemer und Marsciner 
Lands) mit vielen Städten und Flecken bis zum Böhmer Walde hin. Diese 
Länder sollen nämlich einst zur Zeit der Ottonen die Sachsen bewohnt haben, 
wie man das an alten Dämmen sehen kann, welche an den Elbufern im Sumpf= 
lande der Balsemer aufgeführt waren; als aber späterhin die Slawen die Ober- 
1) Hauptort der Wagrier war Oldenburg in Holstein, der Polaben Ratzeburg, der 
Obotriten Mecklenburg südlich Wismar, der Kycinen Kessen südlich Rostock. 
:) Die Briganen und Stoderanen wohnten um Havelberg und Brandenburg. » 
2) Das Balsemer Land liegt um Stendal; das Marsciner Land ist der heutige 
Wische im Kreise Osterburg.
	        
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